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Politik: Der Spaten hat ausgedient

Soldaten müssen heute keine Schützengräben mehr ausheben, sondern in Krisengebieten Patrouillen fahren. Deshalb wird die Grundausbildung reformiert

Von Robert Birnbaum

Wolfgang Schneiderhan ist ein ordentlicher Mensch, und darum hat der oberste Soldat der Bundeswehr sein neuestes Projekt mit einem Leitsatz ausgestattet. Sein Projekt ist die Reform der Grundausbildung. Der Leitsatz lautet: „Die Einsatzrealität und die Einsatzerfahrung bestimmen die Regelausbildung aller Mannschaften.“ Etwas plakativer also: Spatenpauli hat ausgedient. Heute robben Rekruten immer noch durch Wald und Heide und lernen, mit Klappspaten befestigte Stellungen anzulegen. Die künftige Ausbildung hingegen soll das lehren, was ein Soldat im Einsatz von Sarajewo bis Kabul können muss. Nach diesem Grundkurs soll selbst der normale Wehrpflichtige grundsätzlich fähig sein zur Verteidigung am Hindukusch.

Das klingt so revolutionär wie es ist, vollzieht aber nur in der Ausbildung nach, was die Truppe in Zuschnitt und Ausrüstung längst umsetzt. Maßstab seines Tuns, sagt der Generalinspekteur am Dienstag vor dem Beirat Innere Führung in Berlin, sei die Realität. Und die Realität der Verteidigung ist nicht mehr die Panzerschlacht, sondern sind die Camps in Sarajewo, Prizren oder Kabul. Mit der klassischen Grundausbildung, erwachsen aus den Szenarien des Zweiten Weltkriegs, läßt sich da wenig anfangen. Auf diese Ausbildung immer Neues draufzusatteln funktioniere auch nicht: „Das geht irgendwann über die Kräfte aller.“ Also hilft nur ein radikaler Neuanfang.

Der enthält unter altbekannten Überschriften viele neue Inhalte. Fünf Schwerpunkte will der Generalinspekteur setzen. So soll es weiterhin Waffen- und Schießausbildung geben – aber mit neuem Ziel. Maßstab werden die Anforderungen des Wachdienstes. Den Warnschuss in die Luft, den gezielten Schuss auf die Beine ziviler Angreifer soll der Rekrut beherrschen – das klassische Infanteriegefecht lernt später nur noch der, der sich als Längerdienender bei den Eingreifkräften verdingt.

Noch viel stärker verändert sich Punkt zwei, die Gefechtsgrundausbildung. Auch hier stehen typische Out-of-AreaFähigkeiten künftig im Vordergrund, von der Patrouille bis zur Objektsicherung, von der Fähigkeit, Minen und Sprengfallen zu erkennen, bis zum Betrieb von Militär- wie Flüchtlingslagern. Alles Fähigkeiten übrigens, Schneiderhan hebt das selber hervor, die auch für Beistandsleistungen der Bundeswehr bei Katastrophenfällen im Inland gut brauchbar sind. Die Sanitätsausbildung für die Selbst- und Kameradenhilfe soll einen höheren Stellenwert erhalten, und nicht zuletzt will Schneiderhan dem Thema „körperliche Leistungsfähigkeit“ größere Aufmerksamkeit gewidmet sehen. Der Soldat der Zukunft muss mit Wüstenhitze und Gebirgskälte rechnen – nichts für verfettete Computerkids.

Punkt fünf auf Schneiderhans Liste schließlich ist ein hoch aktueller: Innere Führung, Wehr- und Völkerrecht, Staatsbürgerkunde. „Auf diese Besonderheit unserer Ausbildungs- und Einsatzkultur werden wir nicht verzichten“, sagt der General, „nie und nimmer!“ Am Vormittag hatte Minister Peter Struck (SPD) in einer ungewöhnlich engagierten Verteidigung der Wehrpflicht schon auf diesen Punkt mit abgehoben: Die Wehrpflicht sei ein entscheidender „struktureller Faktor“ gegen Auswüchse wie im Foltergefängnis von Bagdad. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir den richtigen Soldatentypus ausbilden“, sagt auch Schneiderhan. Nur dessen „Professionalität“ könne und müsse die neue Ausbildung noch verbessern.

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