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Politik: Der Staat im Staat

Militärisch, politisch und wirtschaftlich: Wie die Revolutionsgarden im Iran für Ruhe sorgen

„Der Graben zwischen der Bevölkerung und der Regierung wächst täglich“, sagte Irans Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi in Paris dem Fernsehsender France 24. Die Proteste hätten nur aufgehört, weil „jeder, der demonstrierte, getötet oder verhaftet wurde“. Internetvideos aus fahrenden Autos zeigen Einheiten von Polizei und Revolutionären Garden, die überall in Teheran postiert waren, Kommandos der gefürchteten Basidsch- Milizen patrouillierten auf Motorrädern durch die Stadt. Nur ganz vereinzelt kam es zu Protestrufen. Angesichts der militärischen Übermacht auf den Straßen forderte die Opposition ihre Anhänger auf, sich auf andere Formen des Widerstands zu konzentrieren – zum Beispiel die sozialen Netzwerke und Websites auszubauen: „Das ist unsere Armee gegen deren Militärmacht“, sagte Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi.

Als militärisch-ideologisches Rückgrat der Islamischen Republik verstehen sich die Revolutionären Garden Irans: Die paramilitärische Organisation wurde 1979 von Ajatollah Chomeini aufgestellt, „um die Revolution und ihre Errungenschaften zu schützen“. Sie dienen Allah und dem Mammon: Sie stehen kompromisslos hinter dem Regime und sind zugleich die größte Wirtschaftsmacht im Iran. Die Sepah kontrollieren immer mehr Schaltstellen in Wirtschaft und Politik. Mahmud Ahmadinedschad war einer von ihnen, sein halbes Kabinett – darunter die Schlüsselminister für Öl und Geheimdienst – hat in der Elitetruppe gedient; genauso wie ein Drittel aller Parlamentsabgeordneten. Die USA führen die Sepah seit 2007 auf ihrer Terrorliste. Der UN-Sicherheitsrat stellte deren Wirtschaftsimperium am Mittwoch mit ins Zentrum seiner neuen Sanktionen. Ihrem Kommando unterstehen mittlerweile auch die rund eine Million Basidsch-Milizen, die sich während der Unruhen durch besondere Brutalität gegen die grüne Bewegung hervorgetan haben. Die Bilder vom Todeskampf der 26-jährigen Neda Agha-Soltan, auf offener Straße von einem Basidsch-Mitglied erschossen, gingen um die ganze Welt.

Die 120 000 Revolutionswächter in dunkeloliven Uniformen verfügen mit Heer, Luftwaffe und Marine über eine komplette Streitmacht – moderner bewaffnet als das reguläre Militär. Sie kontrollieren die Raketeneinheiten und Teile des Atomprogramms. Ihre Al-Quds-Kommandotruppen sind für Einsätze im Ausland trainiert. In regelmäßigen Abständen halten die Garden im Persischen Golf eigene Militärmanöver ab. Ihre vierzig mit Torpedos bewaffneten Schnellboote patrouillieren in der Straße von Hormuz, die 40 Prozent aller Öltanker passieren.

Die Pasdaran, wie sie im Volksmund heißen, sind allein Revolutionsführer Ali Chamenei Rechenschaft schuldig, mit dem sich eine geradezu symbiotische Beziehung entwickelt hat: Die persische Prätorianergarde hält dem in seiner Autorität erschütterten Chefgeistlichen innenpolitisch den Rücken frei. Im Gegenzug gewährt er dafür freie Hand in der iranischen Wirtschaft, die zu 70 Prozent dem Staat gehört. Mit am besten im Geschäft ist das Industriekonsortium Khatam al- Anbya, das zusammen mit 14 weiteren Unternehmen der Garden auf der UN-Boykottliste steht. Der Konzern, bei dem zehntausende Iraner beschäftigt sind, baut Öl- und Gasanlagen, Häfen, Tunnel und Straßen. 812 Einzelfirmen arbeiten unter seinem Dach – darunter Augen- und Zahnkliniken. Für eine Milliarde Euro legen seine Ingenieure derzeit eine neue Gaspipeline vom Persischen Golf in die Provinz Sistan-Baluchestan. Bei der Erschließung von Teilen des großen Süd-Pars-Gasfeldes bekam Khatam al-Anbya den Vorzug vor einem norwegischen Konkurrenten. Und der Baukonzern Sepasad baut für zwei Milliarden Euro die Metro in Teheran und Tabriz aus.

Im Oktober konnte das Konsortium Etemad-e-Mobinein für 5,3 Milliarden Euro die Hälfte der staatlichen iranischen Telekom erwerben. So haben die Revolutionswächter künftig die Kontrolle über das nationale Festnetz, die größten Handynetze und alle iranischen Internetanschlüsse.

Aber auch am lukrativen Schmuggel sanktionierter Güter aus Dubai verdienen die Revolutionswächter. 400 000 Iraner wohnen in dem arabischen Emirat, rund 9000 iranische Import-Export-Firmen sind dort registriert – bis zu zwei Drittel davon gelten als Tarnunternehmen der Sepah.

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