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Widersprüchlich. Saudi-Arabien schickt Frauen mit Stipendien zum Studium ins Ausland, arbeiten dürfen sie nach ihrer Rückkehr aber nicht – und auch nicht wählen. Foto: Eglau

© Katharina Eglau, Winterfeldtstr.

Politik: Der Zorn der Frauen

Saudi-Arabiens Bürgerinnen wollen sich nicht länger mit Diskriminierungen abfinden

Dunkle Sonnenbrille im Gesicht, die Hände fest am Steuer, die Haare mit der obligatorischen schwarzen Abaja bedeckt – Manal al Scharif wollte es letztes Wochenende wissen. Eine Freundin auf dem Beifahrersitz filmte ihre rebellische Tour entlang der Corniche der Ölstadt Khobar am Persischen Golf. Auf Youtube ist das Video seitdem mit 600 000 Klicks ein Hit. „Wir wollen leben wie vollwertige Bürgerinnen – ohne die tägliche Demütigung, stets an einen Mann gekettet zu sein, der uns fährt”, schrieb sie auf ihrer Facebook-Seite „Women2Drive“, auf der die 32-Jährige für den 17. Juni zum großen Frauenfahren in ganz Saudi-Arabien aufrief. 12 000 Fans hatten sich bereits Online angemeldet, als die Behörden die Seite eilig blockieren ließen. Es gehe nicht darum, Gesetze zu brechen oder die Regierung herauszufordern, argumentierte Manal al Scharif. „Wir wollen nur unsere einfachsten Rechte einfordern. Wir besitzen Führerscheine, wir werden die Verkehrsregeln achten und wir haben die Nase voll von den ewigen Diskussionen. Wir wollen endlich Taten sehen.“ Seitdem lassen ihre Unterstützerinnen auf Handys ein Logo kursieren mit dem Text „Wir sind alle Manal al Scharif.“

In jedem Land der Welt sind Frauen am Steuer eine Selbstverständlichkeit. Nur in der Heimat des Propheten Mohammed nicht. Die Religionspolizei „zur Verhinderung des Lasters und Förderung der Tugend“ nahm die Mutter eines fünfjährigen Sohnes auf der Stelle fest. Der Vorwurf der ultrafrommen Sittenwächter: Sie hetze die Öffentlichkeit auf und stachele andere Frauen zum Autofahren an. Ihren Führerschein hatte Manal al Scharif während des Studiums in den USA gemacht, beim staatlichen Ölkonzern Aramco arbeitet die Alleinerziehende in der Computerabteilung. Am Dienstag wandten sich 300 Intellektuelle des Landes mit einer Petition an König Abdullah, forderten ihre Freilassung und ein Ende des Fahrverbots.

Die Mächtigen in Riad aber fürchten, das Thema könnte sich zum Ruf nach weitergehenden Reformen ausweiten. „Vielen Frauen haben die arabischen Revolutionen die Augen geöffnet“, schreibt die prominente Bloggerin Eman al Nafjan. Zwar blieb Anfang März der erste und einzige Aufruf zu einem „Tag des Zorns“ angesichts überwältigender Polizeipräsenz ohne große Resonanz. Niemand aber weiß, wie lange sich Abdullahs Untertanen durch sein eilig aufgelegtes Volksbeglückungsprogramm in Höhe von 110 Milliarden Dollar einlullen lassen.

Gerade die jungen Frauen pochen immer energischer auf ein Ende ihrer Diskriminierung im Namen des Islam. Viele haben mit staatlichen Stipendien im Ausland studiert. Zu Hause aber dürfen sie nicht arbeiten. Mit einer weiblichen Beschäftigungsquote von 16 Prozent – meist arbeiten Frauen als Lehrerinnen – ist Saudi-Arabien weltweit Schlusslicht. Ohne schriftliche Zustimmung ihres männlichen Vormunds dürfen Frauen nicht reisen oder zum Arzt gehen. Auch haben sie kein Wahlrecht. Ein demokratisches Parlament kennt das Königreich ohnehin nicht, nur auf kommunaler Ebene wird seit einigen Jahren über die Hälfte der Sitze abgestimmt – natürlich nur von Männern. Ende der Woche beginnt die Registrierung der Wähler für das nächste Votum im September. In Scharen wollen Frauen nun auf den Ämtern erscheinen, ihre Aufnahme in die Wahllisten verlangen und vor Gericht ihr Wahlrecht einklagen. „Lasst die Frauen endlich Auto fahren und überwindet eure Angst vor dem Unbekannten“, appellierte ein männlicher Kommentator der Zeitung al Watan. Er spricht von einem „absurden Drama“. „Wir benehmen uns wie jemand, der unendlich oft um einen Pfahl herumgelaufen ist und anschließend glaubt, er sei weit gereist.“

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