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Der erste Bericht des Menschenrechtsinstituts dreht sich um das Thema "Flucht". Das Foto zeigt ein Flüchtlingskind in Thüringen.

© dpa

Deutsches Institut für Menschenrechte: Das DIMR muss sich mehr um Probleme vor unserer Haustür kümmern

Nach 15 Jahren Existenz legt das DIMR seinen ersten Bericht vor. Schwerpunkt Flucht. Kümmern sich darum nicht schon genug andere? Ein Kommentar zum Tag der Menschenrechte.

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Aufregung, Empörung, Komplottfantasien: So die Folgen der Nachrichten, wann immer Geflüchtete als Tatverdächtige auftauchen, von der Kölner Silvesternacht bis zu jüngsten Delikten und Vorfällen. „Da habt ihr’s!“ ruft die Community der Fremdenfeinde, während sie sich etwa dran erinnern könnte, dass das erste Todesopfer im Kontext der Krise um Asyl und Migration ein Vorschulkind namens Mohamed war, Sohn von Asylbewerbern, entführt und ermordet von einem deutschen Brandenburger.

Im aktuellen Generalklima des Generalverdachts ist es mehr als berechtigt, wenn das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) mit Sitz in Berlin seinen eben veröffentlichten, ersten Bericht über die Situation der Menschenrechte in Deutschland dem „Schwerpunkt Flucht“ widmet. Seit März 2001 existiert der gemeinnützige, politisch unabhängige Verein, finanziert wird er überwiegend durch Mittel des Bundestages. Dienen soll er dem Schutz der Menschenrechte im In- und Ausland, die Grundlage seiner Arbeit bilden die „Pariser Prinzipien“ der Uno. Eine großartige Idee, ein potenziell enorm sinnvolles Institut.

Beherzt fordert der DIMR-Bericht bessere Partizipation von Geflüchteten, den Schutz vor Gewalt „gegen Frauen, Schwule, Lesben, trans- und intergeschlechtliche Menschen“ sowie vor „religionsbezogener Gewalt“. Der Bericht verlangt Führungszeugnisse für Personal in Sammelunterkünften und dergleichen mehr. Die Datenbasis stammt aus sämtlichen Bundesländern, einige Interviews mit Betroffenen wurden eigens für den Bericht geführt. All das soll „dazu beitragen, dass die Menschenrechte aller Menschen hierzulande tatsächlich beachtet und verwirklicht werden“. Sehr richtig, sehr wichtig.

Doch warum legt das Institut nach 15 Jahren Existenz seinen ersten (!) Bericht vor? Zuvor, heißt es, sei das nie gefordert worden. Warum nicht? Warum reduziert dann dieser erste Bericht sich auf ein einziges Sujet? Zweifellos ist das aktuell ein Kernthema von politischer Relevanz. Aber mühen sich da nicht schon viele andere, etwa Pro Asyl und die Flüchtlingsräte? Und gibt es nicht bereits den Integrationsbericht der Bundesregierung, der sich um die Fremdenfeindlichkeit der Deutschen eher kümmert als um problematische Einstellung der Migranten? Was will das Institut? Wo verhandelt man beim DIMR die drängenden Dauerprobleme im Land?

Ein Beschwerdestelle für Kinder. Und sonst?

Gewalt gegen Frauen, etwa, ist nach wie vor endemisch – ganz gleich, woher die Täter sind. Die Polizeistatistik verzeichnet allein für 2015 Morde an 331 Frauen in Deutschland: Fast jeden Tag ein Frauenmord, fast stets begangen durch Gatten oder Partner. Und jede Woche sterben in Deutschland im Schnitt drei Säuglinge und Kleinkinder durch Gewalt in ihren Familien, tausende Minderjährige werden missbraucht und misshandelt. Obwohl von der Uno seit Jahren gefordert, hat am DIMR erst im August 2015 eine Monitoring-Stelle für die UN-Kinderrechtskonvention ihre Arbeit aufgenommen, deren „Aufbauphase“ läuft bis Juni 2017. Was hat man von der Stelle bisher gehört? Bisher gibt es eine Initiative zur Erleichterung der „Beschwerdewege“ für Kinder. Doch welche Kinder würden sich über ihre Eltern beschweren? Solange die Eltern selber nicht frontal zur Verantwortung gebracht werden, wird sich wenig ändern.

Gewalt an Schulen nimmt zu. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zeigt sich in wachsendem Antisemitismus und Salafismus. Religiöse Radikalisierung und Rassismen befeuern einander. Republikweit klagen Lehrerinnen und Lehrer über Elterngewalt gegen Kinder. Besonders in Familien „mit Migrationshintergrund“ gilt Gewalt oft als Teil „traditioneller“ Erziehung. Abertausende kommen aus Gesellschaften, in denen Gewalt auch im privaten Raum, normative Legitimation besitzt. Es gelte, aufzuklären, es bräuchte unerschrockene Direktheit. Doch auch Jugendämter wollen in diesen Fragen häufig gern „kultursensibel“ sein. Was aber ist an Gewalt gegen Kinder „kulturell“? Und was an deren Duldung „sensibel“?

Auf dem Papier gehört zu den Aufgaben des DIMR „das Erstellen von Analysen zu weiterwirkenden menschenrechtlichen Folgen totalitärer Diktaturen sowie von Kriegs- und Nachkriegsgeschehen.“ Diese Folgen sind hier. Hier vor der Haustür, hier nebenan. Woran fehlt es dem Institut? An Mitteln, Stellen, Rückhalt, Impulsen? Am heutigen Tag der Menschenrechte sollten sich die Parlamentarier daran erinnern, wozu sie dieses Institut ins Leben gerufen haben – und es nutzen, herausfordern, unterstützen.

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