zum Hauptinhalt

Politik: …Deutschland alle Herzen zufliegen

Eine englische Website heißt „rentagerman“, miete einen Deutschen. Bei dieser Adresse können Briten sich einen Deutschen kommen lassen, zum Beispiel, damit er auf seine typisch deutsche Weise an Konferenzen teilnimmt oder Privates tut.

Eine englische Website heißt „rentagerman“, miete einen Deutschen. Bei dieser Adresse können Briten sich einen Deutschen kommen lassen, zum Beispiel, damit er auf seine typisch deutsche Weise an Konferenzen teilnimmt oder Privates tut. „Stellen Sie sich vor, Sie erscheinen auf Partys oder bei Familienfeiern mit ihrem persönlichen Deutschen!" Der oder die Deutsche ist, wegen des bei uns zur Zeit immer noch recht hohen Lohnniveaus, nicht billig: 800 bis 1200 Euro, für allerdings mehrtägige Einsätze.

Vorher muss der Kunde unterschreiben, dass er seinen Deutschen nicht misshandeln oder sexuell belästigen wird. Im Katalog werden blonde und blauäugige Jungexemplare angeboten, aber auch zerstrubbelte ältere Herren mit Deutschbierwampe. Auf der Website kann man begeisterte Kundenberichte lesen, zum Beispiel von Leila (36): „Meine Freunde amüsierten sich und fütterten den Deutschen mit Hühnchen.“ Oder von Carl (58): „Wir haben gemeinsam Gedichte gelesen…der exotische Klang von Wörtern wie Rasenmäher, Motorsäge…“ David (82) schreibt: „Ich hatte seit dem Krieg keinen Deutschen mehr gesehen. Ich weinte. Es war so bewegend.“ Samantha (27): „Morgens putzte der Deutsche mein Haus, noch bevor ich aufwachte. Ich miete wieder einen.“

Rentagerman war zuerst als Witz gedacht, eine Idee des (deutschen!) Konzeptkünstlers Johannes Blank. Zu Blanks Überraschung wird die Seite jedoch von ernst gemeinten Anfragen überflutet. Briten haben bereits mehr als 200 Deutsche gemietet. Einer der Kunden war ein Reporter der „Times“. Er zwang seinen Deutschen, einen 29jährigen Berliner, sich auf Video die deutsche 1:5-Fussballniederlage gegen England anzuschauen. „Er jammerte.“ Der Grund, Deutsche zu mieten, heißt es in der Reportage, „ist, dass wir jemanden haben, über den wir uns lustig machen können“. Der Deutsche selber sagt: „Ich besitze durchaus Qualitäten.“ Unter anderem könne er Kinderfeste organisieren. Aber daran hatte keiner Interesse. Die Geschichte nahm eine überraschende Wendung, als der Brite seinen Deutschen zu einer Party mitnahm. Der Deutsche trug dort sein trauriges Los mit solcher Würde, dass er im Nu alle Herzen eroberte. „Die Frauen fanden ihn toll.“

In Deutschland klappt zurzeit wenig. Aber seit wir voll die Loser sind, scheinen wir zum ersten Mal in unserer jüngeren Geschichte so etwas wie kollektiven Sexappeal zu besitzen. Auch das könnte am 18.September, bei den Wahlen, ein Argument sein. mrt

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false