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Politik: Deutschland und Tschechien wollen Schußstrich unter Vergangenheit

BONN .Die Regierungen in Bonn und Prag wollen einen Schlußstrich unter die Vergangenheit ziehen und ihr Verhältnis nicht mehr durch rechtliche oder finanzielle Fragen stören lassen.

BONN .Die Regierungen in Bonn und Prag wollen einen Schlußstrich unter die Vergangenheit ziehen und ihr Verhältnis nicht mehr durch rechtliche oder finanzielle Fragen stören lassen.Dies haben Bundeskanzler Gerhard Schröder und der tschechische Ministerpräsident Milos Zeman am Montag vereinbart.Der Kanzler erteilte Forderungen aus den Reihen der Vertriebenen eine klare Absage, die Aufnahme Prags in die EU mit einer Rückgabe von Vermögen an die Sudetendeutschen zu verknüpfen.Solche Ansprüche seien Teil einer "abgeschlossenen Epoche", die die deutsche Außenpolitik nicht länger belasten würden, sagte Schröder nach dem einstündigen Gespräch mit Zeman im Kanzleramt.Auch die tschechische Seite betrachte solche Fragen als abgeschlossen.

Das Treffen von Schröder und Zeman war der erste Besuch eines Prager Regierungschefs in Bonn seit 1992.Zeman sprach von einer "neuen Etappe" in den deutsch-tschechischen Beziehungen.Er und der Kanzler hätten sich geschworen, statt von der Vergangenheit, "die man nicht mehr ändern kann", von nun an mehr über die Zukunft zu reden.In Anspielung auf die sogenannten Bene"s-Dekrete, die die Enteignung der Sudetendeutschen in der damaligen Tschechoslowakei begründeten, sagte Zeman, daß die Wirksamkeit einer Reihe von Gesetzen, die seit 1945 in seinem Land beschlossen wurden, bei Wahrung der tschechischen Rechtspositionen bereits erloschen sei.

Die Bene"s-Dekrete gehören zu den umstrittensten europäischen Rechtsakten.Die mehr als 140 Dekrete wurden kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs vom damaligen CSR-Präsidenten Bene"s (1884-1948) erlassen, um nach der sechsjährigen Besetzung durch Nazi-Deutschland die Rechtsordnung wiederherzustellen.1946 billigte das Parlament die Dekrete.Auf der Grundlage von fünf dieser Verfügungen wurden rund drei Millionen Sudetendeutsche als Vergeltung für die Zerschlagung der Tschechoslowakei durch die Nazis enteignet.

Schröder und Zeman wiesen darauf hin, daß beide Länder mit der Aufnahme Tschechiens in die NATO am Freitag Verbündete sind.Der Kanzler befürwortete "ohne Einschränkung" die Aufnahme Prags in die EU, ohne sich auf einen Termin festzulegen.Damit könne nach dem NATO-Beitritt eine dauerhafte Stabilisierung in Richtung Osteuropa erreicht werden.Zeman äußerte sich optimistisch, daß die EU-Aufnahme seines Landes nicht auf die lange Bank geschoben wird.Allerdings müßten Regierung und Parlament in Prag dafür noch erhebliche Vorarbeiten leisten.Er dankte Bonn für seine Bemühungen, auch ehemalige Zwangsarbeiter aus Osteuropa zu entschädigen.

Schröder kündigte an, daß er am 30.September nach Prag reisen wird.Dann jährt sich zum zehnten Mal die Öffnung der Bonner Botschaft für DDR-Flüchtlinge, die dort Zuflucht gesucht hatten.Beide Regierungschefs wollen sich künftig zweimal im Jahr treffen.

Für die CSU kommt ein EU-Beitritt Prags erst nach der formellen Aufhebung der Bene"s-Dekrete in Frage.Die Vertreibung der Sudetendeutschen unterscheide sich grundsätzlich nicht von den "ethnischen Säuberungen" in Ex-Jugoslawien.

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