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Politik: Die Alten haben nicht nur Rechte (Meinung)

Wer sich ernsthaft an eine Reform der Altersversorgung wagt, kann schnell unpopulär werden. Sozialminister Riester erfährt das leidvoll.

Wer sich ernsthaft an eine Reform der Altersversorgung wagt, kann schnell unpopulär werden. Sozialminister Riester erfährt das leidvoll. Am Donnerstag will ihn die Opposition im Bundestag vorführen und die geplante Begrenzung des Rentenanstiegs für zwei Jahre auf einen Inflationsausgleich geißeln. Am Wochenende wird der Kongress der IG-Metall dann lautstark die Rente mit 60 fordern. Riester, so scheint es, steht ziemlich allein da. Sein Vorschlag, die gesetzliche Rente durch eine verbindliche private Eigenvorsorge zu ergänzen, hat ihn sogar in den eigenen Reihen isoliert. Der Bundeskanzler persönlich schlug seinem Minister diese Zwangs-Zusatzrente aus der Hand. Obgleich es aber so aussieht, als würden die Positionen unvereinbar bleiben, liegen sie im Kern nicht so weit auseinander. Regierung und Opposition, Gewerkschaften und Arbeitgeber wissen nämlich: Private Zusatzvorsorge muss das Kernstück jeder Reform sein, die gleichzeitig die Beiträge der Rentenversicherung stabil halten und dennoch einen angemessenen Standard im Alter sichern will. Sie ist notwendig, weil sich das Rentenniveau auf Dauer nicht halten lässt.

Natürlich steht Riester unter Druck. Er ist gezwungen, schnell etwas zu machen. Das Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern wird sich für die nächste Generation nahezu verdoppeln. Das sind die Tatsachen, an denen sich niemand vorbei mogeln kann. Dass die Gewerkschaften in dieser Situation lauthals die "Rente mit 60" fordern, ist nahezu absurd. Riester weiß das und IG-Metall-Chef Zwickel eigentlich auch. Aber er muss am Wochenende erst einmal wiedergewählt werden. Solange werden Gewerkschaften und Arbeitgeber gebetsmühlenartig ihre alten Gesänge wiederholen. Riester macht ihnen das leicht. Zwar wird im Bündnis für Arbeit intensiv über die Altersversorgung geredet. Doch wie so oft bleibt unscharf, was die Regierung wirklich will. Man kann sich eben nicht nur einfach an die Spitze des Tisches setzen und sagen: Nun sprecht mal schön miteinander. Auch ein moderierender Staat muss deutlich machen, was er will. Was will er? Jetzt rächt sich, dass die SPD im Wahlkampf so getan hat, als würde sie als Regierungspartei die Interessen der Alten um jeden Preis voranstellen. Die Rentner haben die Aussagen Gerhard Schröders nach der Senkung des Rentenniveaus durch die Regierung Kohl noch im Ohr: "So darf man mit Menschen, die ein Leben lang hart gearbeitet haben, nicht umgehen." Solche Sätze wecken Erwartungen, die jetzt enttäuscht werden.

Doch auch das Alter darf nicht als Zeit der Rechte ohne Pflichten angesehen werden. Der Gesellschaftsvertrag, auf den die Deutschen so stolz sind, gründet sich nicht nur auf den Interessen der Lebenden, sondern auch auf dem Erbe vergangener Generationen und den Erwartungen der künftigen. Diese Vorstellung liegt der umlagefinanzierten Rente zu Grunde, die als Band zwischen den Generationen fungiert. Die goldenen Jahre des Umlageverfahrens sind vorbei, wenn immer weniger Junge für immer mehr Rentner aufkommen müssen. Wer die Jungen nicht aus dem Solidarsystem vertreiben will, weiß, dass jetzt mit Zusatz-Vorsorge vorgespart werden muss, um die Belastung künftiger Generationen zu mildern. Kapitaldeckung heißt das im Deutsch der Renten-Politiker. Der Kern der Alterssicherung wird auch dabei immer beitragsbezogen bleiben. Im Grunde sind sich Regierung und Opposition, Arbeitgeber und Gewerkschaften dessen bewusst, und der Rentenkonsens ist näher als es derzeit scheint. Jetzt kommen der Kongress der IG Metall und die Wahl zum Abgeordnetenhaus im Oktober in Berlin. Wenn dann alle aufhören, um jeden Preis populär sein zu wollen, ist es Zeit für Riesters nächsten Schritt.

Carsten Germis

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