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Land der Gegensätze, Suppenausgabe bei der Tafel der Wiesbadener Stephansgemeinde - und Champagnerkauf in Berlin.

© dpa

Heizung abstellen oder weniger essen?: Die Ärmsten sollten sich nicht entscheiden müssen

Viele Menschen werden genau überlegen müssen, was sie sich angesichts gestiegener Preise noch leisten können. Was da helfen kann. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

So kann es nicht weitergehen. Es wird für Arbeitslose, Rentner und Alleinerziehende immer schlimmer, sie erwartet echte Not. Die stetig steigenden Preise bei der Grundversorgung treffen auch den unteren Mittelstand. Haushalte mit geringem Einkommen sind besonders betroffen. Eine neue Studie sagt: fast fünfmal härter als die Einkommensstärksten.

Da ist nichts, oder zu wenig an Erspartem, was das Problem lindert – außer die Regierung tut es. Und sie tut es, es gibt einen Weg: Sozialminister Hubertus Heil will ihn entschlossen beschreiten, immerhin.

Die Ärmsten in Deutschland geben mehr als 62 Prozent ihres Geldes für Wohnen, Essen und Haushaltsenergie aus. Und genau da schießen die Preise durch die Decke. Beim reichsten Fünftel machen diese Ausgaben nur 44 Prozent aus. Die bisher verabschiedeten Entlastungspakete helfen nur begrenzt.

Darum beschreibt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie die Lage auch drastisch-plastisch so: Viele Menschen werden im Winter entscheiden müssen, ob sie die Heizung ausstellen oder weniger essen. Wenn Strom- und Energierechnungen nicht mehr bezahlt werden können, riskiert mancher, seine Wohnung zu verlieren. Das Problem ist erkannt, Abhilfe ist schwierig, aber möglich.

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Tankrabatt mit sozialer Schieflage

Die Diakonie schlägt vor, besonders belastete Haushalte über alle bekannten Regelsätze hinaus zu unterstützen – mit 100 Euro netto im Monat für eine Dauer von sechs Monaten. Gesamtkosten: 5,4 Milliarden Euro. Weniger, merkt Lilie sarkastisch an, als der rund drei Milliarden teure und letztlich ineffiziente Tankrabatt.

Warum die zusätzliche Summe? Weil die Zahl der Hilfesuchenden um 20 Prozent gestiegen ist – und das vor allem junge Menschen betrifft. Arbeitslosigkeit und Wohnungslosigkeit werden zur größten Herausforderung. Da muss der Staat vorsorgend und fürsorgend sein.

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Die Krisen jetzt sind ohnehin schon die Krisen der kommenden Generationen. Von Europa ausgehend, vom Krieg in der Ukraine, wird es zunehmend schwieriger, die Konzepte beispielsweise zur Beherrschung des Klimawandels durchzuhalten. Wenn jetzt zur Kohleverstromung auch noch die Atomkraft zurückkehrt, dann verzögert sich die allgemein nötige Umkehr noch einmal. Das kostet Zeit, die niemand hat.

Dazu machen immer mehr Bürger immer höhere Schulden, über alle Einkommensstufen hinweg. Wo sich die Menschen aber überschulden, straucheln am Ende nicht nur sie – die Stabilität der Gesellschaft insgesamt gerät in Gefahr. Zusätzliches Ungleichgewicht kann sie nicht vertragen.

Konsum treibt Konjunktur

Deshalb ist der Vorschlag der Arbeitgeber auch nicht ganz von der Hand zu weisen, Steuern und Sozialabgaben zu senken. Das kann eine ergänzende Idee sein, zur Sicherung des wirtschaftlichen wie des gesellschaftlichen Standorts. Konsum – nur als ein Punkt – ist einer der Treiber von Konjunktur. Dafür aber muss Geld vorhanden sein, und der Glaube, dass es gut, mindestens besser wird.

„Mehr Netto vom Brutto“ wäre so gesehen als Hilfe zu verstehen, von den mittleren Einkommenklassen an. Direkt haben die unteren davon nichts, die muss die Regierung anders auf die Beine bringen. Die Diakonie zeigt den Weg auf, der Sozialminister kommt dazu: Höhere Regelsätze, eine veränderte Berechnung unabhängiger von der Preisentwicklung, neu geschnürte Entlastungspakete – alles, damit es allgemein aufwärts geht. Das lohnt jede Anstrengung.

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