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Politik: Die Dialektik der Aufklärung - Schäuble will eine honorige Kommission einsetzen - weil er nicht mehr glaubwürdig ist (Kommentar)

Es war eine formidable Idee, und obgleich sie früh geboren wurde, ist sie doch nur noch ein spätes Eingeständnis des Versagens: die Kommission, die der CDU klarmachen soll, welche Lektionen aus der Spendenaffäre sie nicht überblättern darf. Seit Kohls Bekenntnis am 30.

Es war eine formidable Idee, und obgleich sie früh geboren wurde, ist sie doch nur noch ein spätes Eingeständnis des Versagens: die Kommission, die der CDU klarmachen soll, welche Lektionen aus der Spendenaffäre sie nicht überblättern darf. Seit Kohls Bekenntnis am 30. November geistert die Idee einer - fast - unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung der Vergangenheit durch die Führung der Partei.

Sie kam von der Peripherie der Union und zerschellte damals noch im Zentrum der bröckelnden Macht. Der Glaube, man käme auch so durch die finstere Zeit, verleitete jene, die sich von Kohl abgesetzt hatten und ihn beerben wollten, zum Irrglauben, ihre eigene Vergangenheit unter dem weiten Mantel des sie fördernden Patriarchen sei perdu. Jetzt ist es zu spät für das Kommissionswesen - auch wenn die Besetzung mit Herzog, Tietmeyer und Kirchhof hochseriöse daherkommt. Denn der sich als Aufklärer verstehende, aber als Verklärer dastehende Wolfgang Schäuble ist in seiner Glaubwürdigkeit zu minimiert, um eines Tages noch einen Kommissions-Bericht, der nicht nur an die Vernunft, sondern auch an die Moral appellieren dürfte, aufrecht entgegenzunehmen.

Im übertragenen Sinne soll die Kommission ja auch nur eines: das moralische Vakuum, das Schäuble heisst, zu ersetzen. Sie ist das institutionalisierte Eingeständnis, dass der langjährige Weggefährte Kohls keineswegs über jenes Maß an Unabhängigkeit und Souveränität verfügt, das für eine Führung bei der Selbstreinigung der Partei unabdingbar ist. Der Skandal der Spendenaffäre ist Folge von zwei Sünden, die sich ohne Kommission erkennen lassen, die zusammen aber das politische Hexengebräu einer Minderheit ausmachen, das nun von der ganzen Partei ausgelöffelt werden muss: die notorische Geringschätzung von Gesetzestreue und der eklatante Mangel an Anstand.

In dem Maße, in dem Gesetze von den Parteivorderen am laufenden Band übertreten wurden, machte sich eine klammheimliche Rechtfertigungskultur breit, die sich jetzt als konventionelle Lüge outet. Wo das Gesetz nicht hinlangt, ist gemeinhin die Sitte gefragt. Aber auch die hat sich im Zuge der steten Ausdehnung der Gesetzes-Untreue in der CDU verflüchtigt. Dieser Verfall gipfelt bis zum heutigen Tag in der Präventivverteidigung, Kohl und andere hätten sich nicht bereichert. Solange aber dieses Denken vorherrscht, dass nämlich allein das Kriterium, ob man in die eigene Tasche gewirtschaftet hat, die Scheidelinie zwischen Gut und Böse hergibt, ist in der Partei der tiefe Zusammenhang zwischen Gesetz und Sitte völlig verloren gegangen. Und das ist der eigentliche Skandal.

Um so fataler wirkt es, wenn die Alternativvorschläge zur jetzigen Parteispitze lauter Namen beinhalten, die entweder an jene Jahre erinnern, da Kohl diese schwächeren Kontrahenten wegbeißen konnte - oder andere von sich aus das Weite suchten. Sie sind Signaturen einer abgelaufenen Zeit.

Wolfgang Schäuble ist zu gescheit, um nicht zu erkennen, dass seine Zeit abgelaufen ist. Den Weg in die Zukunft der Christenunion kann nur beschreiten, wer in keinem Abhängigkeitsverhältnis zum Patriarchen agierte.

Rüdiger Scheidges

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