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Tunesische Sicherheitskräfte führen einen Mann nach dem Attentat in Sousse ab.

© dpa

Islamistischer Terror: Die Dimension des Grauens

Die jüngsten Anschläge in Tunesien, Frankreich und Kuwait machen deutlich, dass die Terrorgefahr durch Islamisten weltweit sehr hoch ist. Wie können wir uns wehren? Ein Kommentar

Ein Kommentar von Frank Jansen

Wieder trifft der Terror Frankreich. Und wieder Tunesien. Und wieder Kobane. Und wieder Kuwait, das längere Zeit verschont geblieben war. Als wollten die Islamisten einen dritten Weltkrieg entfachen, schlagen sie an verschiedenen Orten zu, vermutlich ohne gezielte Koordination, aber im Gleichschritt derselben Menschenverachtung, derselben Todessehnsucht, derselben Vernichtungswut. Die Opfer sind Christen, Kurden, Schiiten, in der Weltsicht militanter Salafisten schlicht Ungläubige oder Ketzer, ohne Recht auf Leben. Derart aktionistisch und brutal und zugleich global haben in der Geschichte nur wenige extremistische Bewegungen agiert. Womöglich ist der dritte Weltkrieg schon im Gange. Als meist asymmetrischer Konflikt, jenseits der Grenzen konventioneller Kriegführung, ohne klare Fronten. Ohne absehbares Ende.

Polizei und Nachrichtendienste müssen gegenhalten

Und es kann noch schlimmer kommen, gerade auch in Europa und in Frankreich. Im April nahm die Polizei in Paris einen Islamisten fest, der eine Frau ermordet und Angriffe auf einen vollbesetzten Personenzug sowie ein Bauwerk geplant haben soll, das dem Land heilig ist: die Basilika Sacré-Cœur. Eine von Explosionen erschütterte Kirche, tote und verletzte Besucher, eine geschockte Nation, ja eine entsetzte Welt wie einst am 11. September 2001: Das sind die Dimensionen des Grauens, in denen die Szene denkt, plant – und agiert, wenn Polizei und Nachrichtendienste nicht rechtzeitig gegenhalten.

Das betrifft nicht nur Frankreich, Tunesien, Kuwait. Die Terrorgefahr ist weltweit hoch. Und in Kobane und anderen Kampfgebieten, in denen Dschihadisten beteiligt sind, ist der Konflikt nicht nur ein asymmetrischer, sondern auch ein klassischer Bürgerkrieg. In Kobane zwischen kurdischen Kämpfern und denen der Terrormiliz „Islamischer Staat“. Die kennt in ihrem Fanatismus kein Aufgeben nur taktische Rückzüge. Die Niederlage beim ersten Sturm auf Kobane hält den IS nicht davon ab, es noch mal zu versuchen. Das gilt für die islamistische Terrorszene überhaupt. Misslingt ein Anschlag, wird der nächste geplant. Aber auch, wenn ein Angriff „erfolgreich“ war. Wie in Frankreich und in Tunesien. Beide Länder wurden in diesem Jahr schon vom Terror heimgesucht. Wer auf eine längere Ruhepause gehofft haben sollte, wird sich selbst naiv nennen müssen.

Ist die Welt wehrlos? Die Frage lässt sich nur Region für Region beantworten. Syrien, Irak, Libyen, Jemen, Nigeria, Somalia, das sind Länder, die den islamistischen Blutrausch noch lange und täglich hinnehmen müssen. Aber blicken wir auf Europa. Nach jedem Angriff, wo immer er passiert, muss sich der Kontinent fragen, ob genug getan wird zur Eindämmung der Gefahr.

Eine Antwort, die „halbwegs ja“ lautet, erscheint realistisch und ist doch zu wenig. Jeder Anschlag und jeder Anschlagsversuch müsste über nationale Grenzen hinaus die Einsicht in die Notwendigkeit von noch mehr abwehrender Kooperation verstärken. Vor allem mit Blick auf Polizei und Nachrichtendienste. Der Austausch klappt mal gut, mal schlecht. Doch zumindest die EU vermag mehr. Eine europäische Antiterrorpolizei und, mag der Gedanke in Deutschland auch unpopulär erscheinen, ein europäischer Verfassungsschutz könnten, in permanenter Kommunikation, das Terrorrisiko mindern. Wenn schon nicht global, dann wenigstens in dem Teil des europäischen Kontinents, der sich zur EU bekennt.

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