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Politik: Die Entdeckung der Sanftmut

Im Gesundheitsstreit sind sich CDU und CSU atmosphärisch näher gekommen. Nun soll Rürup rechnen

Von Robert Birnbaum

Dass die Kuh vom Eis sei, traut sich noch keiner zu verkünden. „Aber ein bisschen näher am Ufer ist sie inzwischen“, sagt einer, der die Verhandlungen zwischen CDU und CSU über die Gesundheitspolitik aus der Nähe verfolgt. Als wichtigstes Indiz für die Entspannung darf eine Nicht- Nachricht gelten: Der Schwesternkrieg per Zeitungsinterview, seit Wochen an der Tagesordnung, ist an diesem Wochenende ausgeblieben.

Jedenfalls, sofern es sich um die engeren Mitspieler handelt. Selbst dass CDU- Regionalfürsten wie die Hamburger Ole von Beust und Dirk Fischer, wie Jörg Schönbohm aus Brandenburg oder der Chef von Angela Merkels Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, Eckhardt Rehberg, dem CSU-Chef Edmund Stoiber den amtlichen Verzicht auf eine weitere Kanzlerkandidatur nahe legten, hat in München nur eine betont unterkühlte Reaktion hervorgerufen: „Ich warne davor, Fachfragen mit Personalfragen zu vermengen“, sagt CSU-Generalsekretär Markus Söder, sonst für grobe Antworten immer gut, und fügt sogar an: „Es gibt keine offenen Führungsfragen.“

Die CSU hat derzeit kein Interesse an neuem Streit. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Christsozialen der CDU in der ersten Verhandlungsrunde ein Zugeständnis gemacht haben: Wenn es am Ende ein gemeinsames Gesundheitsmodell von CDU und CSU geben wird, dann wird das Wort „Prämie“ darüber stehen. Die gesetzlichen Krankenkassen nämlich sollen, das haben die Unterhändler schriftlich fixiert, pro Mitglied einen einheitlichen Betrag überwiesen bekommen, und zwar in Höhe der Kosten, die jeder Deutsche für Arzt, Medizin und Krankenhaus durchschnittlich verursacht. Das entspricht dem Ansatz von Merkels 180-Euro-Kopfpauschale – was nach einem ersten Versuch aus München, das Zugeständnis als eigenen Sieg zu tarnen, auch in der CSU nicht geleugnet wird.

Dafür halten sich die Christsozialen den zweiten Teil der Grundsatz-Abmachung zugute: Für den Bürger soll es dabei bleiben, dass er je nach Einkommen unterschiedlich viel für seine Krankenversicherung zahlt. Wie das aber genau organisiert werden soll, ist weiter strittig – ein Streit, an dem nach Einschätzung beider Seiten eine Einigung durchaus noch scheitern könnte. Die CDU findet nämlich nach wie vor, dass dieser Sozialausgleich am besten mit Steuergeldern finanziert wird, weil in den Steuertopf – zumal nach einer Reform à la Friedrich Merz – auch jene hohen Einkommen beitragen, die derzeit durch die Beitragsbemessungsgrenze von rund 3500 Euro vom Solidarzwang verschont sind. Die CSU widersetzt sich dem Systemwechsel und will Steuerfinanzierung allenfalls für einen kleinen Topf eines „Generationenfonds“ einführen, der Mehrkosten der demographischen Entwicklung abfedern soll.

Bis zur nächsten Gesprächsrunde soll der auch als Regierungsberater tätige Professor Bert Rürup Varianten rechnen. Rürups Einschaltung soll auch verhindern, dass der bisherige „Krieg der Zahlen“, so ein CDU-Mann, weitergeht. Rürup ist ein Freund der Kopfpauschale, was die CDU sich als Vorteil anrechnet, die CSU aber nicht stört: Dass Rürups Modelle einen Kompromiss bilden könnten, ist aus München seit Wochen zu hören.

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