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Politik: Die Erotik des Krieges

Heute ist das Publikum, das die Sendungen von CNN sieht, im Zwiespalt.Es weiß nicht, was interessanter wäre: der Krieg im Kosovo oder die Golf-Weltmeisterschaft.

Heute ist das Publikum, das die Sendungen von CNN sieht, im Zwiespalt.Es weiß nicht, was interessanter wäre: der Krieg im Kosovo oder die Golf-Weltmeisterschaft.In beiden Fällen sind die Leute sehr aufgeregt.Als wäre der Krieg auf dem Balkan auch ein Wettkampf voller Ungewißheiten, nur daß dabei viel Blut vergossen wird.Denn es ist nicht daselbe, wenn man den weißen Ball von José Maria Olazabal unfehlbar in das Loch auf der Wiese rollen sieht, oder wenn ein großes Projektil einen Zug auf einer Brücke in Serbien trifft.Unten wird Krieg geführt, und dort gibt es keine Begeisterung, wenn ein Ziel getroffen wird, dennoch scheint das Publikum in gleicher Weise zu reagieren.Denn es geht um einen alten Impuls, der Freud interessieren würde.Jene Handlung, die dazu führt, daß ein gewöhnlich länglicher Gegenstand in eine Vertiefung dringt.Jetzt wende ich mich wieder um Hilfe an meine alte, psychoanalytische Wissenschaft, denn es geht um eine große, fast erotische Erregung unseres Weltpublikums.Werden wir das Ziel treffen oder nicht? Denn wenn jener kleine Ball auf beinahe unmögliche Weise über die Unebenheiten eines schönen amerikanischen Rasens auf sein winziges Ziel zugleitet, scheint die Welt zu glauben, sie habe das Unerwartete bei einer spröden Schönen erreicht.Die Krieger sind natürlich erotisch aufgeladen, wenn sie auf eine gegnerische Kaserne zielen.Als würden sie dort einen ebenfalls erotischen Erfolg erzielen.Darum glänzen die Augen aller Soldaten so wie die mit Glyzerin behandelten Augen eines Filmstar.Wir befinden uns jedoch im Krieg gegen ein unmenschliches Regime im Süden, so daß die Geschichte vom Golf als Perversion erscheint.Aber schon der Krieg ist eine Perversion, und die Menschen, die unten im Krieg leben, zeigen täglich Perversionen.Meine Freundin Slavenka Drakuli¿c schreibt über Menschen in Belgrad, die Zielscheiben auf der Brust tragen.Sie verstehen nicht, daß das wahre Ziel der alliierten Angriffe eine Diktatur ist, und so nehmen sie es auf sich, selbst dieses Ziel darzustellen.

Und was am schlimmsten ist, sie heften diese Papierzeichen den eigenen Kindern an.Mein Land ist eine kollektive Medea, bereit, die eigenen Kinder zu opfern, die das vielleicht gar nicht wollen.Kinder haben überhaupt nichts mit diesem Krieg zu tun, aber Erwachsene und - was wünschenswert wäre - reife Menschen ziehen sie in das Grauen hinein.Als wäre diese ganze Veranstaltung auf einem Belgrader Platz ein Festival und eine große Corrida.Eine Arena, wo ein wütender Stier herausgefordert wird, und wenn er auf die Menschen losgeht, weichen sie ihm lachend aus.Nur daß Kinder in einer spanischen oder anderen Arena nichts zu suchen haben.

So wird unsere Golfpartie mit all ihren erotischen Konnotationen fortgesetzt.Denn in dem Spiel mit den Zielscheiben auf menschlichen Körpern betreten diese Menschen eine masochistische Szene.Nicht umsonst hatten Massen italienischer Frauen den Wunsch, daß der Duce jeder von ihnen ein Kind mache.

Zu Beginn der Milosevi¿c-Ära hörte ich eine Dame über Radio Belgrad sprechen.Sie erklärte den Hörern, ihr Mann sei damit einverstanden, daß sie ihren Körper dem Führer des Volkes schenke, falls dieser das wünsche.Jetzt identifiziert sich meine Nation in hohem Maß mit jener Dame, die damals nur ein psychoneurotischer Fall war.Aber was anfangen mit all diesen Menschen, Männern und Frauen und ihren unterdrückten Kindern; was tun, wenn sich dieses ganze Volk einem unsichtbaren Schlag aussetzt, so wie ein Loch beim Golf seinen Ball erwartet.Sie wissen nicht, daß die tödliche Rakete ihr Führer abfeuert, der diese Kavalkade hätte aufhalten können, das aber nicht mochte.Sondern er bestand darauf, daß möglichst viele längliche Gegenstände in den Körper seines Landes eindrangen wie in ein globales weibliches Inkarnat.Golf, das alte irische Nationalspiel, war schon einmal im Bewußtsein unserer Zivilisation das Kennzeichen eines schweren Krieges.Wir müssen hoffen, daß die Dinge noch einmal ihre Bedeutung wechseln.So daß dieser Begriff wieder die Erinnerung an etwas viel Schöneres weckt, wie es der Golfo di Venezia ist.Oder der Golfstrom, der das eisige Material des Nordmeers erwärmt.So wie dem Menschen plötzlich wohlig ums Herz wird.

¿Cosi¿c ist einer der wichtigsten serbischen Schriftsteller.Übersetzung: B.Antkowiak

BORA ¿COSI¿C

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