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Politik: Die Ethanolallianz

USA und Brasilien wollen Vertrag über Biotreibstoff unterzeichnen

Von Michael Schmidt

Berlin - Brasiliens Staatschef Lula da Silva will sein Land zum größten Biokraftstoffhersteller der Welt machen, US-Präsident George W. Bush die Abhängigkeit der Vereinigten Staaten von Ölimporten aus dem instabilen Nahen Osten und dem politisch in Washington nicht eben wohlgelittenen Venezuela lindern. Das trifft sich gut. So gut, dass Lula und Bush am Freitag in Sao Paulo einen Vertrag über Biobrennstoff unterzeichnen wollen.

Schon heute gehört Brasilien, das größte und bevölkerungsreichste Land Lateinamerikas, mit einer Jahresproduktion von 17 Milliarden Litern Ethanol zu den größten Produzenten dieser „grünen“ Treibstoffalternative zu Benzin. Zusammen mit den USA, die nicht das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz unterzeichnen wollen, sondern stattdessen auf Energiesparen und die Verwendung alternativer Energien setzen, bestreitet Brasilien mehr als 70 Prozent der weltweiten Ethanolproduktion. Nach einer Studie des brasilianischen Wissenschaftsministeriums könnte das Land bis 2025 die Exporte seines grünen Goldes von 3,4 auf 200 Milliarden Liter steigern – an denen vor allem die Amerikaner interessiert wären. Die Hälfte der brasilianischen Ethanolexporte geht schon heute in die USA, die rund ein Sechstel ihres Erdöls aus Venezuela beziehen – und damit gegen ihren Willen den Linkspopulisten und USA-Kritiker Hugo Chavez unterstützen. Ein Umstand, den Bush ändern will – mithilfe des brasilianischen Biosprits vom Acker. Doch mag die Schnittmenge der gemeinsamen Interessen auch groß sein, ein paar offene Fragen gibt es schon noch.

So hat Lula da Silva die Regierung in Washington noch wenige Tage vor dem Bush-Besuch aufgerufen, ihre Schutzzölle auf Agrarprodukte abzuschaffen: Um ihre heimischen Produzenten vor billigen Einfuhren zu schützen, erheben die USA nämlich eine Zollabgabe, die sich zum Beispiel bei jeder Gallone ausländischen Biokraftstoffs mit mehr als 50 Cent niederschlägt. Hintergrund: Der brasilianische Ökosprit wird aus Rohrzucker gewonnen und ist damit deutlich günstiger (16 Cent Produktionskosten pro Liter) als das US-Produkt, das überwiegend aus Mais gewonnen wird (26 Cent pro Liter).

Zudem muss Brasilien soziale und Umweltbedenken ausräumen. Zuckerrohr wächst zwar nicht in den großen Naturgebieten Brasiliens, sein An- und Ausbau aber verdrängt zum Beispiel die Produktion von Soja in ökologisch sensible Regenwaldgebiete. Zuckerrohr wird in Monokulturen und unter Einsatz zahlreicher Pestizide und Düngemittel angebaut, das Reinigen der Pflanzen verbraucht große Mengen von Wasser. Das Abwasser wiederum bedroht Böden und nahe Flüsse und Seen. Der Ruf von Ethanol, sagt Gilberto Calcagnotto vom Giga-Institut für Lateinamerika-Studien in Hamburg, „ist besser, als er sein sollte“.

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