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Die Radikalisierung über das Internet nimmt zu.

© Gestaltung: Tagesspiegel/K. Schuber/Fotos: freepik

Die Gefahr ist zu real für Datenschutz! : Die Turbo-Radikalisierung der Jugend muss gestoppt werden

Immer jünger und gewaltbereiter. Jugendlichen finden zur rechtsextremen und islamistischen Szene oft in ähnlicher Art und Weise. Sicherheitsbehörden brauchen mehr Handhabe im Netz.

Julius Geiler
Ein Kommentar von Julius Geiler

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Pfingstwochenende in der Bundesrepublik. Eine frisch gegründete rechtsextreme Gruppierung aus Sachsen-Anhalt, sie nennt sich „Block gegen Antifa Stendal“, veröffentlicht auf ihrem Instagram-Profil Steckbriefe. Inklusive Porträt-Fotos Jugendlicher und ihrer Adressen. Ihr angebliches Vergehen: Die Jugendlichen seien links und antifaschistisch eingestellt. Es ist ein Aufruf zur Jagd.

Die Zahl der Rechtsextremen ist im vergangenen Jahr um ein Fünftel angestiegen. „Eine erschreckende Zahl“, stellt Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes fest. Wer die Entwicklungen in der rechtsextremen Szene im vergangenen Jahr beobachtet hat, dürfte über diese Zahl kaum verwundert sein.

Neu gegründete Jugendgruppen sprießen von Nordsee bis zum Alpenvorland im Wochentakt aus dem Boden. Viele dieser Organisationen verschwinden schnell wieder in der Versenkung, andere bleiben. Ihre Mitglieder eint ihr sehr junges Alter. Nicht wenige sind minderjährig, ideologisch wenig gefestigt und bisher nicht polizeibekannt.

Eben das macht sie so gefährlich. Die jungen Neonazis finden vor allem über das Internet zur Szene und werden teilweise gezielt von erfahrenen Alt-Kadern rekrutiert. Die rechtsextremen Teenager sind ungestüm und unberechenbar. Diejenigen, die bereits durch Gewalttaten aufgefallenen sind, agieren teils völlig enthemmt.

Doch in ihrer Art der Radikalisierung – über TikTok, Instagram, angestachelt durch Ältere – sind sie jenen ähnlich, die für eine andere, ebenso gefährliche Ideologie stehen: den Islamisten. Auch hier nimmt insbesondere durch die Eskalation des Kriegs in Gaza die Radikalisierung zu.

Eines der drängendsten Probleme ist die Turbo-Radikalisierung von Jugendlichen. Ob beim Rechtsextremismus oder unter ähnlichen Mechanismen im Islamismus. Hier muss der Staat vor allem im Bereich der sozialen Netzwerke noch aktiver werden.

Datenschutztechnische Hindernisse sollten der Extremismus-Prävention dabei nicht im Weg stehen. Der Einstieg ist den Extremismus ist niedrigschwelliger, als ihn sich viele vorstellen können.

Junge Rechtsextremisten auf einer Demonstration am Berliner Ostkreuz.

© IMAGO/Hami Roshan

Während Jugendliche früher mindestens einen Schritt aus der Haustür setzen mussten, um rekrutiert zu werden, reicht heutzutage ein einziger Klick im Internet. Instagram und TikTok sind zu Brandbeschleunigern geworden, die noch viel zu wenig kontrolliert werden. Die Folgen dieser Radikalisierung fliegen uns jetzt schon, siehe Pfingsten, um die Ohren.

Doch sollte man aufpassen, nicht alles in einen Topf zu schmeißen. Dobrindt geht bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts auch auf die linksextreme Szene der Bundesrepublik ein und verbreitet in diesem Rahmen Unwahrheiten.

Falsche Zahlen in der Pressekonferenz

Der Bundesinnenminister spricht von einem deutlichen Anstieg des gewaltbereiten Spektrums im Linksextremismus. Das ist faktisch falsch. Laut Verfassungsschutzbericht, den Dobrindt selbst vorstellt, bleiben die Zahlen gleich.

Vielleicht ist es ein Versprecher, dann aber ein sehr langer. Denn kurz darauf hält der Bundesinnenminister erneut ein Balkendiagramm in die Kameras. Der CSU-Politiker streicht mit seinen Fingern über die Tafel. Klar ist zu erkennen, dass keinerlei Zuwachs in dem Bereich zu erkennen ist.

Das soll natürlich nicht verharmlosen oder darüber hinwegtäuschen, dass es weiterhin eine große linksextreme Szene in der Bundesrepublik gibt. Die Gefahr, die vom Rechtsextremismus ausgeht, ist dennoch ungleich höher. Insbesondere in Zeiten radikalisierter TikTok-Jugendlicher, die zu allem bereit scheinen.

„Wir rüsten uns gegenüber den steigenden Bedrohungen“, betont Dobrindt. Das ist gut, sollte aber auch das Mindeste sein, was man als Bürger von seinen Sicherheitsbehörden erwarten kann.

Extremismus lauert überall und kommt aus den verschiedensten Richtungen. Wichtig ist, dass er klar, entsprechend der Fakten und nicht ideologisch aufgeladen benannt wird.

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