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Politik: Die hessische Versuchung (Kommentar)

Es wird ein interessantes Erlebnis sein, wenn Bundeskanzler Schröder der CDU am Donnerstag Nachhilfeunterricht über Hochkulturen geben wird. Die CDU hat ihn aufgefordert, "umfassende Auskunft über den Islam" zu geben: zum Beispiel, wie die Bestattung von Muslimen rechtlich geregelt ist.

Es wird ein interessantes Erlebnis sein, wenn Bundeskanzler Schröder der CDU am Donnerstag Nachhilfeunterricht über Hochkulturen geben wird. Die CDU hat ihn aufgefordert, "umfassende Auskunft über den Islam" zu geben: zum Beispiel, wie die Bestattung von Muslimen rechtlich geregelt ist. Die Union wird erneut vom Teufel geritten, vom Erfolg ihrer Unterschriftenaktion in Hessen, als es ihr gelang, die Debatte über das Staatsbürgerschaftsrecht in eine emotionsgeladene Abstimmung über Ausländer umzuwandeln. Nun soll Beelzebub in Gestalt einer "breiten gesellschaftlichen Debatte über den Islam in Deutschland" auftreten. Denn der CDU ist der EU-Gipfel von Helsinki, bei dem die Türkei in den Kreis der EU-Beitrittskandidaten aufgenommen wurde, ein Frevel, wenn nicht direkt am Herrn, so doch am jüdisch-hellenisch-römischen Erbe des Okzidents. Keiner wird es der Union verdenken, wenn sie sich weiter vom Übervater Kohl ins Gebet nehmen lassen will, der den Türken zu verstehen gab, dass der Dialog zwischen Hochkulturen so eine Sache sei - besonders dann, wenn sich Europa als ausschließlich christliche Wertegemeinschaft verstehen soll. Zu einer vernünftigen Politik gehört es, den epochalen Wertewandel, den ein Beitritt der Türkei bedeuten würde, nicht nur zu begleiten, sondern auch zu steuern. Dazu gehören sehr wohl Fragen über das Ausmaß der Religionsfreiheit und über die Spannungen im Verhältnis des Islams zur Demokratie. Doch die CDU fehlt gründlich, wenn sie diese ihre Neugier am Islam zur Attacke gegen den Helsinki-Beschluss und die Beteiligung der Deutschen daran instrumentalisiern will. Die Türken stehen noch lange nicht vor unseren Toren.

eid

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