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Politik: Die Macht der Grenzen

GRÜNE IN DER REGIERUNG

Von Hans Monath

Wie vernünftig wirken die Grünen der jüngsten Zeit: Früher wollten sie aus der Weltwirtschaft aussteigen, heute streiten sie für Freihandel. Vorbei sind die Zeiten, da Parteitage mit der Forderung nach einem Benzinpreis von fünf Mark Schlagzeilen machten. Statt Soldaten zu verteufeln, schicken die Grünen die Bundeswehr weltweit in humanitäre Einsätze und Friedensmissionen. Und während es die SPD unter den Sozialreformen fast zerreißt, kommen vom kleineren Regierungspartner meist ermutigende Signale: Lieber mit Schmerzen sanieren, als die Probleme zu verschleppen.

Doch jetzt droht der Partei die politische Isolierung ausgerechnet in einer Auseinandersetzung, in der sie von so vielen Bündnispartnern gestützt wird wie in keiner anderen Debatte. Von den Kirchen über die Wirtschaft bis zur Wissenschaft fordern wichtige gesellschaftliche Kräfte, endlich ein Zuwanderungsgesetz zu verabschieden, das dieses Land öffnet für die Ära der Globalisierung. Nun aber sagen die Grünen, weitere Verhandlungen mit der Opposition seien sinnlos geworden. Das Spiel ist aus.

Die Union frohlockt, denn die Koalition zeigt sich so, wie sich das die Opposition wünscht: gespalten. Sind die Grünen immer noch die alten Dogmatiker, wie es ihre Gegner ihnen gern vorwerfen?

Es ist eine schwer verständliche Botschaft, die der kleinere Regierungspartner unter die Leute bringen will: Wir retten die geforderte Gesetzesnovelle, indem wir ihr den Totenschein ausstellen. Wie soll das gehen? Menschenrechts- und Flüchtlingsgruppen sowie die Grünen-Basis sind zwar erleichtert über die Entscheidung. Kein Ergebnis ist für sie immer noch besser als ein schlechtes. Mit jeder Verhandlungsrunde sind die Chancen auf Fortschritte für die Grünen gesunken. Immer wenn eine Einigung möglich schien, präsentierte die Union neue, weiter reichende Forderungen.

Aber haben sich die Grünen damit nicht selbst zum Sündenbock gemacht? Gerade weil das Verhalten der Union in den Zuwanderungsgesprächen so absehbar war, wirkt das Auseinanderfallen der Koalition nach der letzten Runde wie ein kapitales Versagen politischer Steuerung. Offenbar fehlte Rot-Grün ein gemeinsames Konzept. Reden Kanzler und Vizekanzler nicht miteinander?

Mit Verbitterung mussten die Grünen ertragen, dass Gerhard Schröder seinem Innenminister Otto Schily großen Freiraum ließ. Den nutzte Schily ohne Rücksicht auf den kleineren Partner in den Verhandlungen und in Interviews. Zuletzt überholte der Ex-Grüne die Union mit markigen Worten und rigiden Vorschlägen zur Terrorbekämpfung. Damit brachte er die Koalition in die Defensive.

Die Grünen haben sich jedoch auch selbst angreifbar gemacht. In der Außenpolitik hat Joschka Fischer mit Verweis auf den 11. September 2001 ganze Konzepte geändert. In der innenpolitischen Debatte dagegen fehlt seiner Partei eine Sprache, die Verständnis für die realen Gefahren und für das Sicherheitsbedürfnis der Bürger in Zeiten des internationalen Terrorismus erkennen lässt. Auf Vorschläge, wie die Republik sicherer werden könnte, kommt oft gleich das große Nein – und nicht einmal ein Ja, aber …

Es ist gewiss vernünftig, jedes neue Anti-Terror-Gesetz darauf zu überprüfen, ob es dem Land mehr schadet als nutzt. Die USA debattieren, dass ihre harten neuen Visaregelungen Spitzenkräfte aus dem Ausland abschrecken und damit der Wirtschaft und dem Wissenschaftsstandort schaden. Außenminister Powell versichert der Welt gar, dass Amerika ein offenes Land bleibe. Aber eine Datei der Bürger, die visumpflichtigen Gästen Einladungen ausstellen, würde ein Land nicht gleich abschotten. Dennoch lehnen die Grünen so etwas ab.

In all dem Ärger der Grünen ist aber auch ein wenig Erleichterung zu spüren. Sie haben viele Kompromisse schließen müssen. Jetzt sagen sie einmal entschieden Nein – und fühlen sich als Verteidiger spezifisch grüner Werte, die ihnen in der Regierungsarbeit auf manchen Feldern abhanden zu kommen drohten.

Die Annahme, dass die unangenehmen Fragen damit erledigt seien, könnte sich als Irrtum herausstellen. Mit der Frage nach mehr innerer Sicherheit wird die Union die Regierung weiter quälen. Das abrupte Ende der Zuwanderungsgespräche wird sich als Belastung erweisen.

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