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Im Mittelpunkt der Cebit steht die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft.

© dpa/Friso Gentsch

Die neue Cebit: Lasst uns übers Digitale streiten!

Die deutsche Skepsis gegenüber der Digitalisierung ist volkswirtschaftlich gefährlich. Die neue Form der Cebit könnte das ändern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Til Knipper

Die Digitalisierung hat es schwer in Deutschland. Die Infrastruktur ist nicht zeitgemäß, es fehlt auch im Jahr 2018 schnelles Internet via Glasfaserkabel. Viele Unternehmen, gerade im Mittelstand, investieren nur zögerlich in digitale Geschäftsmodelle. Und der deutsche Kunde ist im internationalen Vergleich eher skeptisch bei digitalen Innovationen.

Er hängt am Bargeld, fürchtet, dass seine Daten ohnehin missbraucht werden, und sieht den eigenen Arbeitsplatz durch Künstliche Intelligenz gefährdet. Kurz: Er sieht die Risiken, ignoriert jedoch die Chancen.

Auf den ersten Blick ist der digitale Fortschritt enttäuschend

Aber kann man den Deutschen ihre Skepsis verdenken? Sollte die Digitalisierung das Leben nicht einfacher machen? Lag darin nicht das große Zukunftsversprechen? In der Tat ist der digitale Fortschritt in vielen Bereichen des Lebens auf den ersten Blick enttäuschend. Internetunternehmen nutzen digitale Technik vielfach, um Arbeiten auf ihre Kunden abzuwälzen.

Bestes Beispiel ist die Tourismusbranche: Das Flugticket wird schon lange nicht mehr im Reisebüro gebucht, sondern online. Für das Einchecken, die Platzwahl und das Ausdrucken der Bordkarte ist der Passagier ebenfalls online selbst verantwortlich. Manche Airlines nötigen ihre Kunden inzwischen auch dazu, das Gepäcketikett auszudrucken und selbst am Koffer zu befestigen.

Die Deutsche Bahn erlaubt Zugreisenden, die ihr Ticket online bestellt und reserviert haben, seit dieser Woche auf allen ICE-Strecken, sich selbst zu kontrollieren. Wer Platz genommen hat, teilt das dem Unternehmen über eine App mit. Vom Schaffner wird er anschließend nicht mehr behelligt.

Die Unternehmen sparen so Kosten, der Kunde sollte dafür einen günstigeren Preis bekommen. Das wäre der Idealfall, in der Realität allerdings führt es häufig dazu, dass für einst selbstverständlichen Service plötzlich Extragebühren fällig sind, wie für das Gepäck im Flugzeug.

Deutsche Digitalskepsis ist volkswirtschaftlich gefährlich

Die typisch deutsche Skepsis ist deswegen trotzdem nicht die richtige Antwort auf das Zeitalter der Digitalisierung. Volkswirtschaftlich wird diese Skepsis zur Gefahr, wenn deutsche Unternehmen weiterhin die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle vernachlässigen. Das Geschäft von morgen ist ausschließlich digital und muss gerade jetzt, in der wirtschaftlichen Hochkonjunktur, vorbereitet werden.

Daher ist es grob fahrlässig, dass weniger als ein Viertel der Firmen in diesem Jahr gezielt in die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle investieren will, wie eine Umfrage des Digitalverbandes Bitkom zur Montag startenden IT-Messe Cebit in Hannover ergeben hat.

Umso wichtiger ist es, dass auch die Cebit die Zeichen der Zeit endlich erkannt hat und dieses Jahr einen Neuanfang wagt. Aus der Fachmesse, die in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren hat, soll ein digitales Festival und Diskussionsforum werden. Hier müssen die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Zukunft der Arbeitswelt diskutiert werden.

Es muss über die Notwendigkeit von gesetzlicher Regulierung gestritten werden, über die gesellschaftliche Verantwortung, die das Neue mit sich bringt. Nur wer das digitale Heute versteht, kann auch Ideen für das Morgen entwickeln.

Nur wenn diese Themen endlich in der breiten Öffentlichkeit diskutiert werden, können die Menschen auch lernen, mit den Freiheiten und der Verdichtung des Alltags, die die Digitalisierung unweigerlich mit sich bringt, umzugehen.

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