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Ein erster Schritt. Mit dem Umbau eines ukrainischen Schiffes reiht China sich in die Reihe der Mächte, die eine Flugzeugträgerflotte besitzen. Von US-amerikanischen Dimensionen ist das Reich der Mitte aber noch weit entfernt. Foto: Jacky Chen/Reuters

© REUTERS

Politik: Die neue Seestreitmacht

Chinas erster Flugzeugträger ist einsatzfähig und wird jetzt getestet. Damit untermauert das Land seine Führungsrolle in Asien

Berlin - Die USA haben 21, Frankreich vier. Die Engländer haben sechs und die Russen einen. Nur China, das fünfte ständige Mitglied im UN-Sicherheitsrat, besaß bislang keinen Flugzeugträger. Doch 13 Jahre nachdem die Chinesen das Kriegsschiff „Varyag“ von der Ukraine gekauft haben, ist der sogenannte Flugdeckkreuzer wieder seetüchtig: Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua verließ das rund 300 Meter lange Schiff am Mittwoch den Hafen Dalian in der nordöstlichen Provinz Liaoning.

China verschafft sich damit einen strategischen Vorteil: Flugzeugträger und ihre kleineren Brüder, die Flugdeckkreuzer, weiten den Aktionsradius von Seestreitkräften aus. „Flugzeugträger dienen als militärische Basis für Marine und Luftwaffe auch außerhalb des eigenen Territoriums“, sagt Rüstungsexperte Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Sie ermöglichen so eine Vielzahl militärischer Handlungsoptionen.“

Militärstrategisch leitet China damit eine historische Wende ein. Die chinesische Volksbefreiungsarmee war traditionell eine Landarmee. Die Entwicklung von chinesischen Flugzeugträgern ist ein Paradigmenwechsel, durch den China zu einer ernst zu nehmenden Seestreitkraft avanciert. Das hat strategische Gründe. Die Flugzeugträger ermöglichen es chinesischen Unterseebooten, ihren Aktionsradius auszudehnen: „U-Boote werden hauptsächlich aus der Luft bekämpft“, sagt Dickow. Flugzeugträger können solche Attacken effektiv abwehren.

Durch diesen Schutz können chinesische U-Boote ungehindert in offenen Gewässern operieren. Und somit auch mit atomaren Sprengköpfen in Territorien außerhalb ihrer Landesgrenzen vordringen. Denn die U-Boote können mit Atomwaffen ausgestattet werden. Damit gewinnt China auf der weltpolitischen Agenda noch mehr Bedeutung als Nuklearmacht. Ein Grund dafür ist die sogenannte Zweitschlagsfähigkeit. Im Falle einer Vernichtung Chinas durch einen Nuklearangriff wäre es chinesischen U-Booten trotzdem noch möglich, den Angreifer mit einem Gegenschlag zu vernichten, also einen Zweitschlag auszuführen.

Angesichts der maritimen Aufrüstung ist China bemüht, die internationalen Ängste vor seinem Flugzeugträgerprogramm zu zerstreuen. Die Tageszeitung „China Daily“, englischsprachiges Staatsorgan, zitierte auf ihrer Website eine Reihe hoher Militärs, die Chinas defensive Ausrichtung betonen. So erklärte der General-Major Yin Zhuo zum Beispiel: „Die Restaurierung eines alten Flugzeugträgers bedeutet nicht, das militärische Gleichgewicht in der Region zu stören.“

Genau dies wird aber befürchtet. Denn noch sind die Besitzansprüche im Südostchinesischen Meer umstritten. Beispiel dafür sind die Spratly-Inseln, auf die neben China auch die Philippinen, Vietnam, Malaysia und Brunei Anspruch erheben. Und um die Paracel-Inseln, ebenfalls im Südostchinesischen Meer, hatte es 1988 sogar Kämpfe zwischen China und Vietnam gegeben. Auch in diesem Jahr war es erneut zu Vorfällen auf See zwischen den beiden Ländern gekommen. Eine Flugzeugträgerflotte würde die chinesische Position innerhalb dieser Konflikte stärken.

Neben der Durchsetzung chinesischer Hegemonialansprüche gibt es weitere strategische Gründe, für einen Ausbau der chinesischen Marine. Der Träger könnte chinesische Handelswege sichern, um die Versorgung des Landes mit Rohstoffen zu garantieren. Nicht zuletzt ist der Besitz eines Flugzeugträgers aber auch eine Prestigefrage. Beispielsweise konnte China nach der Tsunami-Katastrophe 2004 nicht so effektiv helfen wie Mächte mit Flugzeugträgern.

Die Nachbarn Chinas und die USA, mit ihren eigenen Interessen in der Region, bleiben skeptisch. Die Japaner hatten beim Aufbau der chinesischen Marine bereits mehr Transparenz gefordert, Indien kritisierte mit ungewöhnlich deutlichen Worten die chinesische Politik. China hält sein Flugzeugträger- Programm weitestgehend geheim, nach unbestätigten Gerüchten werden derzeit zwei weitere Schiffe gebaut. Im Juni demonstrierten Japan und die USA daraufhin Geschlossenheit: In einer Stellungnahme der Außen- und Verteidigungsminister forderten die beiden Länder „Offenheit und Transparenz bei der Modernisierung und den Aktivitäten des chinesischen Militärs“.

Bis die chinesischen Ambitionen ausgereift sind, könnten aber noch Jahre vergehen. Ein Flugzeugträger ist alleine kaum fähig, sich zu verteidigen. Deshalb wird er von Versorgungsschiffen, Kriegsschiffen und U-Booten begleitet. Es wären also noch weitere finanzielle Anstrengungen notwendig. Auch die Schulung der Besatzung ist langwierig, erklärt Dickow: „Wenn ein Land erst beginnt, Flugzeugträgerverbände aufzubauen, ist viel Training der Mannschaften und eine taktische Ausbildung Voraussetzung. Flugzeugträger sind ein Waffenverbund, der erst eingespielt werden muss und für den taktische Konzepte erst entwickelt werden müssen.“

In anderen Mächten ist es daher üblich, dass ein Träger im Einsatz ist, ein zweiter vor allem Trainingszwecken dient und ein dritter in Wartung ist. Auch geeignete Kampfflugzeuge sind notwendig, denn nicht jedes Flugzeug kann auf einem Trägerschiff landen. Die Verhandlungen mit Russland über einen Kauf solcher Flugzeuge sind erst jüngst ins Stocken geraten. Der Nationalen Volksarmee Chinas steht also noch ein langer Marsch zum eigenen Flugzeugträgerverband bevor.

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