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Politik: Die offiziell erklärten Ziele der beiden Präsidentenkandidaten Lagos und Lavin unterscheiden sich kaum

Rund acht Millionen Chilenen waren am Sonntag aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Völlig offen schien die Entscheidung zwischen dem Sozialisten Ricardo Lagos und dem Rechtspopulisten Joaquin Lavin.

Rund acht Millionen Chilenen waren am Sonntag aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Völlig offen schien die Entscheidung zwischen dem Sozialisten Ricardo Lagos und dem Rechtspopulisten Joaquin Lavin. Beide lagen im ersten Wahlgang am 12. Dezember fast gleichauf bei 47,5 Prozent. Lagos erhielt 30 000 Stimmen mehr als sein Gegenkandidat. Die Stichwahl um die Nachfolge des christdemokratischen Amtsinhabers Eduardo Frei verlief in ruhiger Atmosphäre und ohne Zwischenfälle. Für die öffentliche Sicherheit und den Schutz der 29 500 Wahllokale sorgten die Streitkräfte. Viele der 8,1 Millionen Wahlberechtigten gaben bei hochsommerlichen Temperaturen schon früh ihre Stimme ab.

"Diese Wahl wird genauso eng sein wie die erste Runde", sagte Lavin in der Sonntagsausgabe der Zeitung "El Mercurio". Die beiden jüngsten Umfragen ergaben kein klares Bild. Einmal lag Lagos, einmal Lavin mit einem Prozent in Führung. Bei ähnlichen, offiziell verkündeten Zielen - mehr Arbeitsplätze, bessere Gesundheitsfürsorge, weniger Kriminalität - unterscheidet die beiden Kandidaten vor allem ihre politische Vergangenheit: Der 46-jährige Wirtschaftswissenschaftler Lavin, gemeinsamer Kandidat der rechtsgerichteten Parteien UDI und RI, unterstützte den Militärmachthaber Augusto Pinochet, der bis 1990 an der Macht war. Der 61-jährige Lagos war während der Militärdiktatur ein führender Politiker der Opposition. Er scheint leicht im Vorteil sein, da er rund 300 000 Stimmen bekommen könnte, die zunächst für andere Linkskandidaten abgegeben wurden.

Während Lagos zu Beginn des Wahlkampfes in Führung lag, konnte Lavin später Boden gutmachen. Er wurde zweimal zum Bürgermeister von Las Condes gewählt, wo er als Mann der Tat gilt. Er setzte sich für eine wirksame Bekämpfung der Kriminalität ein und sorgte für einen besseren Verkehrsfluss. Sein Gegenkandidat Lavin hat sich von den ursprünglichen Ideen des von Pinochet gestürzten Sozialisten Salvador Allende distanziert. Die Befürchtungen seiner konservativen Gegner, er werde bei einem Wahlsieg zu einem radikalen Sozialismus umschwenken, wies Lagos zurück. Er wolle sich um mehr Gleichheit unter der Bevölkerung bemühen. Lagos ist Anwalt und Wirtschaftswissenschaftler.

Die juristische Auseinandersetzung um die mögliche Auslieferung Pinochets spielte im Wahlkampf keine Rolle. Beide Kandidaten haben sich dafür ausgesprochen, den 84-jährigen General in der Heimat vor Gericht zu stellen, falls er aus gesundheitlichen Gründen aus der britischen Haft entlassen werden sollte. Pinochet könnte bereits am kommenden Wochenende in seine Heimat zurückkehren, berichteten chilenische Zeitungen am Wochenende unter Berufung auf diplomatische Kreise. In London wurde Innenminister Jack Straw für seine Absicht scharf kritisiert, den 84-Jährigen nach 18 Monaten Hausarrest aus medizinischen Gründen freizulassen. Spanien verlangt die Auslieferung Pinochets wegen Menschenrechtsverstößen während seiner Amtszeit von 1973 bis 1990. Amnesty International erwägt Rechtseinspruch gegen die Straw-Entscheidung. Der Londoner "Sunday Times" zufolge könnte die Abreise Pinochets zu einem "entwürdigenden Spektakel" werden.

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