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Politik: Die Opposition ist müde geworden

Seit zehn Jahren regiert der Autokrat Lukaschenko in Weißrussland – und denkt nicht ans Aufhören

Das regimetreue Staatsfernsehen schalten Oppositionelle in Minsk derzeit häufiger ein. Sie erhoffen sich Hinweise darauf, wie Alexander Lukaschenko seine Regierungszeit verlängern will. Der weißrussische Präsident ließ die Verfassung 1996 zwar mit Hilfe einer Volksabstimmung so ändern, dass er seither weitgehend schalten und walten kann, wie er will. Aber der Passus, der die Präsidentschaft auf zwei Amtszeiten beschränkt, blieb intakt. Demnach wäre für Lukaschenko 2006 Schluss.

Dass er sich daran hält, glaubt indes niemand. Regimekritiker vermuten, schon bald würden zahlreiche verdiente Weißrussen im Staatsfernsehen den Landesvater „bitten“, weiterzumachen. Dies könnte das Vorspiel sein für ein weiteres Referendum, das nach Erkenntnissen des Oppositionsbündnisses „Fünf Plus“ bereits vorbereitet wird.

Anlässlich des zehnjährigen Amtsjubiläums Lukaschenkos an diesem Samstag haben Oppositionsgruppen zu Demonstrationen aufgerufen. Doch zu den Aktionen der Regimegegner, die in den 90er Jahren Zehntausende mobilisierten, kamen zuletzt nur noch ein paar Dutzend Menschen, überwiegend kämpferische, ältere Frauen. Jahrelange behördliche Schikanen haben oppositionelle Parteien und Zeitungen bedeutungslos gemacht.

Auch die Anpassungsbereitschaft vieler Landsleute lähmt die Opposition. Karrierechancen hat, wer wie die meisten Jugendlichen der „Patriotischen Jugend“ beitritt, ein an die Komsomol erinnernder Massenverband, den Regimegegner „Lukamol“ tauften. Die meisten Weißrussen sind beim Staat oder staatseigenen Großbetrieben beschäftigt und somit abhängig vom Regime. Nach Angaben der Opposition erhielten Staatsbeschäftigte zuletzt teils nur noch Zeitverträge, wohl, um die Unsicherheit zu erhöhen.

Wer sich politisch heraushält, findet einen behüteten Platz in einer Gesellschaft, die zwischen Gegnern und Mitläufern gespalten ist. Einkommen wie Renten sind niedrig, aber stabil, Miete und Strom subventioniert, Gewaltausbrüche oder soziale Konflikte selten.

Wider die ökonomische Logik hält sich das Regime wirtschaftlich über Wasser. Behilflich war bislang Russland mit verbilligten Gaslieferungen. Auch zahlreiche weißrussische Gastarbeiter auf russischen Baustellen tragen ihr Scherflein bei. Doch die wirtschaftlich enge Partnerschaft mit Russland zeigt Risse. Der Streit um den Verkauf wichtiger Industriebetriebe eskalierte im Winter zum „Gaskrieg“, als Moskau während einer Frostperiode die Lieferung unterbrach. Seither ist Lukaschenkos Langzeitprojekt einer Vereinigung mit Russland auf Basis gleichberechtigter Partnerschaft in weite Ferne gerückt.

Jan Pallokat[Minsk]

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