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 Robert Habeck, Olaf Scholz, und Christian Lindner bei der Pressekonferenz in Meseberg.

© IMAGO/Chris Emil Janßen

Zwischenbilanz zur Ampel-Regierung: Die politische Dynamik ist unbestreitbar

Die Ampel-Koalition reagiert ziemlich schnell auf Krieg und Krisen und beweist: Demokratie funktioniert. Das ist schon ein Erfolg. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Waren das Zeiten: Da kam eine neue Regierung ins Amt, orientierte sich erst einmal in relativer Ruhe und nahm dann allmählich Fahrt auf, um angekündigte Reformvorhaben durchzusetzen. Sagen wir: die Rente mit 67. So war das in der ersten Regierungszeit Angela Merkels von 2005 an.

Sie hatte dann drei Jahre im Amt, ehe die große Krise kam, die Finanzkrise. Und war das alles schon herausfordernd – es wirkt wie nichts im Vergleich zu dem, was die heutige Bundesregierung zu leisten hat.

Solche Zeiten hat noch kein Bündnis erlebt, kaum dass es Platz genommen hat. Fünf Monate höchster Konzentration mit Krisenbewältigung, der zum Alltag wird. Historische Momente, die ein Versagen im Regierungshandeln nicht verzeihen, sonst könnte die Welt in Flammen aufgehen.

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Nirgendwo eine kleine Münze, buchstäblich, nicht im übertragenen Sinn, nicht im finanziellen. Entsprechend groß ist der Druck, der auf Rot-Gelb-Grün lastet, auf der Ampel-Koalition, die nach Kräften versucht, standzuhalten und den enormen Anforderungen gerecht zu werden. Die Ampel, die in dieser Konstellation auch ein historisches Bündnis ist und darum unter besonderer Beobachtung steht.

Jede kleine Entscheidung hat sogleich langfristige Auswirkungen

Die Klausur auf Schloss Meseberg diente denn auch genau dazu: sich zu vergewissern, dass alle in der Regierung, gleich welcher Farbe, wirklich verstanden haben, worum es geht. Dass der Vorsatz, kollegial und kooperativ miteinander umzugehen und solidarisch zusammenzuarbeiten, zwingende Voraussetzung für Erfolg ist. Mehr denn je.

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Worum es geht, was am Ende ein Erfolg ist? Den Amtseid zu leben, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, nach innen, nach außen, ob durch Corona oder den barbarischsten Vernichtungskrieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Und bei alledem die Zukunft im Blick zu haben. Denn es wird ein Ende des Krieges geben, auch dieses Krieges, die Welt wird sich weiterdrehen und die Aufgaben danach werden nicht geringer sein. Dafür muss zusätzlich zur Krisenbewältigung also auch noch vorgebaut werden.

Das muss man sich einmal vorstellen: Jede Entscheidung, und wirkt sie noch so klein, hat sogleich langfristige Auswirkungen. Jede muss darüber hinaus in hoher Geschwindigkeit mit möglichst großer Präzision gefällt werden.

Es geht ja bei Weitem nicht allein um Waffenlieferungen an die Ukraine, die an sich schon eine Zeitenwende für Deutschland bedeuten. Sondern dazu kommen, als ein Beispiel, die Sanktionen gegen Aggressor Russland. Die müssen national im Verbund der Ressorts zusammengestellt, dann international abgestimmt und anschließend ins Werk gesetzt werden, rechtlich, politisch-parlamentarisch.

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Diese Komplexität – sie erschließt sich zu wenig, zumal schon Ankündigungen in der Öffentlichkeit als Tatsachen konsumiert werden. Angesichts dessen geht alles ziemlich schnell; wer gerecht sein will, wird der Regierung zumindest politische Dynamik nicht bestreiten. So haben sich gleich mehrere Taskforces gefunden; Fachkräfte aus der Ukraine und aus Russland einzugliedern, ihnen eine Perspektive in den Arbeitsmarkt zu integrieren – daran arbeiten allein schon vier Ressorts.

Und die Gesetzgebung, ob bei Sanktionen oder dem jetzt noch schneller werdenden Umbau zum klimaneutralen, Ressourcen schonenden, unser aller Zukunft sichernden Wirtschaften, zeigt: Die Demokratie funktioniert.

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Gerade durch diese Herausforderungen beweist sich die Zivilgesellschaft mit ihren demokratischen Mitteln. Sie kann ihre Belastungsfähigkeit unter höchstem Druck demonstrieren und damit Strahlkraft nach innen wie nach außen entwickeln.

Nicht weniger hat die Bundesregierung zu leisten. Was insgesamt gesehen eine lohnenswerte, dankenswerte Perspektive für die Gesellschaft ist. Es wäre, wenn es denn gelänge, eine historische Leistung. Diese Koalition kann auch scheitern. Aber es ist jedenfalls ihre Zeit. Und ihre Chance.

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