zum Hauptinhalt

Politik: Die Sozialisten bedrängen in Sachsen und Brandenburg erheblich die SPD - aber sie sitzen in der Erneuerungsfalle (Analyse)

Deutschland vor einer Premiere: Stimmen die Umfragen, wird die PDS bei der Landtagswahl am 19. September in Sachsen Geschichte schreiben.

Von Matthias Meisner

Deutschland vor einer Premiere: Stimmen die Umfragen, wird die PDS bei der Landtagswahl am 19. September in Sachsen Geschichte schreiben. Im Schatten der absoluten CDU-Herrschaft von Kurt Biedenkopf hat die SED-Nachfolgepartei dort alle Chancen, an der kränkelnden SPD vorbeiziehen und erstmals in einem Landesparlament die zweitstärkste Fraktion stellen.

Der Coup der Genossen im Freistaat wird wahrscheinlich eine Erfolgsserie vollenden. Schon bei der Wahl an diesem Sonntag in Brandenburg muss die SPD um die absolute Mehrheit bangen - die daraus für die SPD folgende Zerreißprobe kündigt sich schon an. Die Entrüstung über Regine Hildebrandts freundliche Worte zur PDS zeigt, wie schwer Manfred Stolpe die Wahl zwischen der Koalition mit der CDU und der Zusammenarbeit mit der PDS fallen wird. Eine weitere rot-rote Option steht am 12. September in Thüringen ins Haus - wenn sie nicht an der Schwäche der SPD scheitert.

Doch kann die PDS ihre Erfolge auch als echten Gewinn verbuchen? Trägt der Vormarsch der Postsozialisten in den ostdeutschen Ländern bei zur Klarheit über den Kurs dieser Partei? Zweifel sind erlaubt -, und sie nähren sich aus den Erfahrungen mit der Tolerierung von Reinhard Höppners SPD-Regierung in Sachsen-Anhalt und der Koalition zwischen SPD und PDS in Mecklenburg-Vorpommern.

Anders, als die eigene Führung erhoffte, hat die Teilhabe an der Macht nicht dazu beigetragen, die Rolle der PDS als linker Alternative zu stärken. Im Gegenteil: Je mehr Mitverantwortung sie übernimmt, desto weniger glaubwürdig kann sie ihre originären Ziele vertreten. Auch ihr setzen Haushaltszwänge Grenzen. Das mobilisiert jene in den eigenen Reihen, die glauben, mit Systemopposition sei der Politik genüge getan.

Je kräftiger der Widerstand gegen "die da oben", je weniger die PDS selbst hineingezogen wird in den einen oder anderen Kompromiss einer Landesregierung, umso besser lässt sich die Geschichte von den Ostdeutschen als benachteiligter Minderheit verbreiten. Der Widerspruch ist eklatant: Nach außen wollen die Genossen Gregor Gysi und Lothar Bisky angekommen sein in der Bundesrepublik, innen herrschen die Heimatvertriebenen der DDR.

Im Bundestagswahlkampf hat die PDS ihr ungeklärtes Verhältnis zur Zukunft als "cool" und "geil" übertüncht. In den nächsten Wochen werden gewonnene Landtagswahlen ablenken davon, dass die PDS nicht so modern und links ist, wie die SED spießbürgerlich und diktatorisch war. Und auch wenn der Konflikt um den Bundeswehreinsatz im Kosovo der PDS vor allem im Westen Neueintritte von jungen Leuten beschert hat: Die Partei, in der mehr als zwei Drittel aller Mitglieder über 60 Jahre alt sind, bleibt von Altersauszehrung bedroht.

Vor Monaten hatte Parteichef Bisky eingeräumt, es sei ein "großer Fehler" gewesen, alle behalten zu wollen: "Ich habe zunehmend weniger Schwierigkeiten damit, Austritte und Kündigungen zu akzeptieren." Der Appell an die Anhänger des Realsozialismus blieb folgenlos. Auch wenn die Kommunistische Plattform zahlenmäßig nur eine kleine Minderheit in der PDS stellt - sie malt an einem Bild, das viele in der PDS haben, dem von der DDR als historischer Alternative.

Die Ostalgie ist der wichtigste Beweggrund für die Wahl der PDS geblieben. Gysi und seine Spitzengenossen können an den kommenden Wahlsonntagen im Rotkäppchen-Sekt baden. Wenn sie es mit der Erneuerung ernst meinen, wird die Partei um die kalte Dusche dennoch nicht herumkommen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false