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Politik: Die SPD-Bundestagsfraktion ist enttäuscht, doch der Kanzler ist zufrieden wie lange nicht mehr

Es war ein merkwürdiger Kontrast: Der Bundeskanzler, gut gelaunt und entspannt, verfolgte im Parlament nach seiner Regierungserklärung zur Europapolitik den Beitrag des wieder einmal nicht in Bestform befindlichen Bayern Edmund Stoiber. Nicht gerade triumphierend, aber mit souveräner Gelassenheit gab er anschließend vor dem Sitzungssaal der SPD-Fraktion die angekündigte Initiative für Vermögenbesteuerung bekannt.

Es war ein merkwürdiger Kontrast: Der Bundeskanzler, gut gelaunt und entspannt, verfolgte im Parlament nach seiner Regierungserklärung zur Europapolitik den Beitrag des wieder einmal nicht in Bestform befindlichen Bayern Edmund Stoiber. Nicht gerade triumphierend, aber mit souveräner Gelassenheit gab er anschließend vor dem Sitzungssaal der SPD-Fraktion die angekündigte Initiative für Vermögenbesteuerung bekannt. Nach einer kurzen Aussprache darüber kehrten die Abgeordneten zurück. Die Mienen: Eher finster als fröhlich. "Bei Borussia Dortmund ist die Stimmung besser", meinte ein sozialdemokratischer Fußballfan.

Der Beifall brandete jedenfalls nicht gerade, als Gerhard Schröder der SPD-Fraktion seine Meinung sagte, die viel beanstandete "Gerechtigkeitslücke" gebe es nicht. Im "Änderungsantrag zum Leitantrag" für den SPD Parteitag am kommenden Montag in Berlin, den das Parteipräsidium zuvor einmütig beschlossen hatte, steht es nicht ganz so absolut: "Die rot-grüne Koalition hat die Gerechtigkeitslücke in der Steuerpolitik nach 16 Jahren der Umverteilung von unten nach oben durch die Regierung Kohl ein großes Stück gestopft. Verbleibende Defizite werden wir im weiteren Verlauf entschlossen anpacken." Zuvor ist die magische Zahl genannt: 36 Milliarden Mark. Das ist der Betrag, der durch Schließung steuerlicher Schlupflöcher für Bezieher höherer Einkommen eingenommen werden soll.

Es ist die konkreteste Passage in dem Antrag. Denn das, das entschlossen angepackt werden soll, bleibt eher im Ungefähren, wie nicht nur Detlev von Larcher in der Sitzung anmerkt. Stiftungsrecht, Erbschaftssteuer, Neubewertung von Grundbesitz - die Formulierungen bleiben allgemein. Für die konkrete Ausformulierung ist das Bundesministerium für Finanzen zuständig. Mit anderen Worten: Hans Eichel. Was für eine harte Nuss der ist, hat die Debatte über die Reform des Stiftungsrechts gezeigt. Er möchte nicht zu viele Einnahmen verlieren. Gegen seinen Widerstand wurde die Formulierung im Antrag durchgesetzt, dass nicht nur Kultur und Bildung, sondern auch Stiftungen für Kirche und Sport zu den Begünstigten gehören sollen. Aber Eichel gibt nicht auf. Er will nun dafür sorgen, dass die Steuerersparnis für Sport-Stiftungen geringer ausfällt als solche für kulturelle Zwecke. Der Kampf ums Kleingedruckte hat also schon lange vor dem kommenden SPD-Parteitag begonnen.

An einem Ort immerhin sehen auch Gerhard Schröder und die SPD-Spitze eine "nicht hinnehmbare Gerechtigkeitslücke: In Europa. Die Unterschiede in der Besteuerung von Kapitalerträgen führen zu den "letzten großen Steueroasen". Hier will Berlin eine Vereinheitlichung. Hauptkontrahent ist des Kanzlers Neue-Mitte-Partner Tony Blair. Er sagt Nein, Nein, Nein. Als Zugeständnis für die Linke droht der Antrag "nötigenfalls" auch "nationale Maßnahmen". Auf europäischer Ebene wird noch verhandelt. Das kann dauern. Manchmal heilt die Zeit bekanntlich auch Wunden. Vor Wochen noch schien das Problem der "Gerechtigkeitslücke" riesig: Uwe Hiksch, ein Hinterbänkler, aber immerhin, wechselte deshalb zur PDS. Die Anträge zum Parteitag signalisierten noch erhebliches Murren der Basis. Aber dann kam Helmut Kohl mit seiner Spendenaffäre, und dann kam die Holzmann-Pleite - besser: Gerhard Schröders Rettungsakt für die angeschlagene Baufirma. Der Kanzler konnte seinen Sinn für soziale Gerechtigkeit fernsehgerecht demonstrieren. Deshalb ist er so zufrieden. Vor dem Parteitag hat er so wenig Bammel wie vor Edmund Stoiber im Bundestag.

Thomas Kröter

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