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Politik: Die SPD debattiert über ein neues Parteiprogramm, und Gerhard Schröder will die Auseinandersetzung fördern

Die SPD debattiert über ein neues Parteiprogramm - seit dem Wochenende mit dem Segen ihres Vorsitzenden. "Wir müssen das Grundsatzprogramm fortschreiben und aktualisieren, aber unsere Wertvorstellungen von sozialer Gerechtigkeit erhalten", hat Gerhard Schröder in seinem ersten Interview nach dem Sommerurlaub erklärt.

Von Robert Birnbaum

Die SPD debattiert über ein neues Parteiprogramm - seit dem Wochenende mit dem Segen ihres Vorsitzenden. "Wir müssen das Grundsatzprogramm fortschreiben und aktualisieren, aber unsere Wertvorstellungen von sozialer Gerechtigkeit erhalten", hat Gerhard Schröder in seinem ersten Interview nach dem Sommerurlaub erklärt. Damit erteilt er seinem Stellvertreter Rudolf Scharping Rückendeckung. Denn der Verteidigungsminister war vor einigen Tagen der erste, der öffentlich für ein neues Programm eingetreten war. Keineswegs zur Begeisterung aller Parteifreunde; mancher hochgestellte Genosse fand Programmdebatten höchst überflüssig.

Aber Schröder stimmte Scharping zu: Seit dem letzten SPD-Programm von 1989 habe es in der Welt in der Tat einschneidende Veränderungen gegeben, angefangen bei der deutschen Einheit mit ihren Folgen für die Außen- und Sicherheitspolitik: "eine völlig veränderte Welt" konstatierte der Kanzler.

Nun war es genau genommen ja Schröder selbst, der den Anstoß zur Programmdiskussion gegeben hatte - mit seinem gemeinsam mit dem britischen Premier Tony Labour veröffentlichten Papier zur Neuorientierung der Sozialdemokratie. Das Schröder-Blair-Papier war nicht der Auslöser, wohl aber einer der Aufhänger für jene Diskussion über das Verhältnis der beiden Wahlkampf-Leitbegriffe "Innovation" und "Gerechtigkeit", der einen größeren Teil des SPD-Sommertheaters ausgemacht hat - mit dem Saarländer Reinhard Klimmt in der Hauptrolle.

Nicht nur Scharping, auch der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Glogowski, der brandenburgische SPD-Landeschef Steffen Reiche und der einstige Architekt der sozialliberalen Ostpolitik, Egon Bahr, plädierten am Wochenende dafür, dieses Papier als eine Diskussionsgrundlage für das neue Programm zu nutzen. Glogowski verwies in der "Welt am Sonntag" ebenfalls darauf, dass das gültige Berliner Pogramm der SPD zehn Jahre alt ist und vor der deutschen Vereinigung formuliert wurde.

Er führte aber noch einen zweiten Grund dafür an, weshalb ein neues Programm nötig sei: Die jüngsten Debatten in der SPD stellten unter Beweis, dass Orientierung notwendig sei. "Die SPD bedarf im Grundsatz der Klarheit", forderte Glogowski - und zwar noch vor der nächsten Bundestagswahl 2002. Denn mit neuem Programm könne die Partei neue Einheit gewinnen und "mit neuem Wind in den Segeln" in die Wahlen gehen.

Noch etwas deutlicher formulierte Reiche - ein guter Freund Scharpings - ein Motiv mancher Programm-Befürworter. Der brandenburgische Landeschef verband seine Forderung nach einem neuen Programm nämlich mit einem Appell an Schröder. "Er muss mehr führen", sagte Reiche der "Märkischen Allgemeinen".

Es gehe dabei nicht um ein Machtwort oder gar darum, dass der Kanzler den Schluss der Debatte anordnen solle. Die Partei habe aber das Recht zu wissen, wo Schröder hinwolle. Das gelte beispielsweise auch für die Politik der Regierung für Ostdeutschland: "Schröder muss deutlich machen, was er darunter versteht, dass der Aufbau Ost Chefsache ist." Der Osten brauche eine Perspektive, wie er in etwa das Niveau der alten Länder erreichen könne, und zwar bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode im Jahr 2006. Das liest sich wie milde Kritik an Schröder. Auffällig ist allerdings, dass der Ruf nach programmatischer Erneuerung bislang vor allem aus dem sozialdemokratischen "Realo"-Lager kommt. Die Linke, sonst um Programmsätze nie verlegen, hat sich zurückgehalten; erkennbar in der Sorge, dass in einem neuen Programm ihr Kampfbegriff "Gerechtigkeit" zu Gunsten von "Innovation" und "Modernisierung" Schaden nehmen könnte.

Eine häufige Schröder-Kritikerin, die nicht unbedingt der Linken zugerechnet wird, meldete sich freilich indirekt zum Thema zu Wort: Heide Simonis, die Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. "Gerhard Schröder muss jetzt die Partei davon überzeugen, dass sein Weg in der Tendenz der einzig mögliche ist", sagte sie der "BZ". Das allerdings werde dem Kanzler und SPD-Chef nur gelingen, wenn er auch auf seine Kritiker zugehe, die auf größere soziale Ausgewogenheit des Sparpakets pochten. Denn: "Eine Partei muss Herz, Seele, Verstand und den Bauch ansprechen, wenn sie überleben will."

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