zum Hauptinhalt

Politik: Die SPD gilt nicht mehr als Partei der sozialen Gerechtigkeit

Mehr als zwei Drittel der Deutschen meinen, die Wirtschaft werde durch Reformen übermäßig begünstigt / Sozialdemokraten rutschen auf 27 Prozent ab

Für den Deutschlandtrend hat Infratest dimap im Auftrag von ARD/Bericht aus Berlin und Tagesspiegel zwischen 29. September und 1. Oktober 1200 Bürger befragt.

Die Rücktrittsdrohungen von Kanzler Gerhard Schröder stoßen nicht nur bei den SPDinternen Abweichlern des Gesundheitskompromisses mit der Union auf Ablehnung. In der Wahlbevölkerung äußerten mit 77 Prozent deutlich mehr als zwei Drittel Kritik an der neuerlichen Drohgebärde des SPD-Chefs. Die Kritiker bemängeln vor allem die aus ihrer Sicht soziale Schieflage der beschlossenen und der kommenden Reformgesetze. Zugleich bekunden allerdings 69 Prozent der Bevölkerung Einsicht in die Notwendigkeit von Einschnitten bei den Sozialleistungen.

Dass die Sozialdemokraten dabei am ehesten die soziale Balance wahren können, glauben aber nur 37 Prozent der Deutschen. Dass zudem 71 Prozent der Meinung sind, die Reformen seien zu sehr auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtet, zeigt das Dilemma der SPD, die in Gefahr ist, ihren Ruf als Wahrerin der sozialen Gerechtigkeit zu verlieren. Damit einher geht, dass die Partei Schröders die Kompetenzführerschaft bei der Herstellung sozialer Gerechtigkeit verloren hat: In ihrer früheren Domäne traut der SPD lediglich ein Prozent der Wähler mehr zu als der Union. Gleiches gilt für die Außenpolitik. Darüber hinaus wird der CDU/CSU auf allen Politikfeldern mehr Kompetenz zugeschrieben als der Kanzlerpartei. Vor diesem Hintergrund ist das Vertrauen in die Regierungsfähigkeit der Union gewachsen: 42 Prozent glauben, dass eine unionsgeführte Bundesregierung eine bessere Politik machen würde; mit 44 Prozent sind die Skeptiker in dieser Frage in der Mehrheit. Größeres Vertrauen setzen die Bürger in ein Zusammengehen der beiden großen Parteien (50 Prozent).

Bei der Kanzlerfrage hat nicht nur die CDU-Vorsitzende Angela Merkel den Amtsinhaber Gerhard Schröder überflügelt. Infolge seines Wahlsiegs schob sich auch Bayerns CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber erstmals vor Schröder. Der Vorsprung des Bayern: gleich zehn Punkte. Stoiber gilt mit 40 Prozent Zustimmung auch als der geeignetste Unions-Kanzlerkandidat. Seine möglichen Rivalen Merkel und Koch liegen mit 26 und 22 Prozent abgeschlagen auf den Plätzen.

Die massive Kritik an Bundesregierung und SPD höhlt auch die Unterstützung für die Sozialdemokraten weiter aus. Wäre bereits am Sonntag Bundestagswahl, kämen die Sozialdemokraten mit einem Minus von zwei Prozent auf nun 27 Prozent der Stimmen. Die Grünen könnten einen Punkt auf elf Prozent zulegen. Die Union könnte deutliche Gewinne verbuchen und 50 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen. Die FDP käme auf einen Wähleranteil von fünf Prozent, die PDS auf drei.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false