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Pofalla

© Mike Wolff

Ronald Pofalla: "Die SPD setzt auf politische Extremisten“

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla spricht im Tagesspiegel-Interview über Wortbruch und die Wahl des nächsten Bundespräsidenten. "Kurt Beck hat ja die Fähigkeit, selbst im Liegen noch umzufallen", sagt er über den SPD-Chef.

Horst Köhler möchte ein zweites Mal Bundespräsident werden, die SPD denkt an eine Gegenkandidatin Gesine Schwan. Ist das eine Kriegserklärung?

Die SPD muss für sich entscheiden, ob sie den erfolgreichen und überaus beliebten Bundespräsidenten unterstützt oder ob sie diesen Willen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger missachtet. Warten wir diesen Montag ab.

Die Signale aus der SPD klingen nicht so, als ob es da noch viel zu warten gäbe.

Wenn die SPD sich ernsthaft dafür entscheidet, einen Kandidaten gegen Horst Köhler aufzustellen, macht sie sich zur Marionette der Linkspartei und der NPD. An diesem Wochenende finden die Parteitage der Linken und der NPD statt. Die Mitglieder des SPD-Bundesvorstandes sollten diese Parteitage genau beobachten und sich fragen, ob man sich von diesen Leuten politisch abhängig machen will. Denn ohne die Stimmen von ganz links und ganz rechts außen kommt ein SPD-Kandidat in der Bundesversammlung nicht einmal in die Nähe der notwendigen Mehrheit.

Nach der Landtagswahl in Bayern kann die Gegen-Mehrheit plötzlich da sein.

Die CSU wird in Bayern stark bleiben. Und selbst wenn der Vorsprung von Union und FDP in der Bundesversammlung knapper werden sollte - ohne Links- und Rechtsextreme wäre ein Gegenbündnis zu Horst Köhler noch immer meilenweit von einer Mehrheit entfernt.

Warum soll denn aber eine ehrwürdige alte Partei wie die SPD nicht eine eigene Kandidatin benennen dürfen?

Das kann die SPD tun. Die Frage ist nur, auf wen man sich stützt. Und da kann von Ehrwürdigkeit nicht mehr die Rede sein. Die traditionsreiche Sozialdemokratische Partei ist dabei, sich in die Abhängigkeit von den Erben der SED sowie der NPD zu begeben. Kurt Beck hat auch gesagt, mit den Linken im Bund nie. Jetzt überlegt man sogar, einen populären und allseits geachteten Bundespräsidenten mit den Stimmen der Linken aus dem Amt zu wählen. Herr Beck bereitet erneut einen Wortbruch vor.

Aber eine Bundesversammlung, in der es immer auch Zufallsergebnisse und -bündnisse gab, ist doch keine Bundesregierung!

Die SPD setzt aber nicht auf Zufall, sondern auf die politischen Extremisten. Kurt Beck hat ja die Fähigkeit, selbst im Liegen noch umzufallen. Das haben wir in der Frage der Zusammenarbeit zwischen SPD und Linken in Hessen gesehen.

Vor vier Jahren bekam Gesine Schwan gegen Horst Köhler ebenfalls die Stimmen der PDS. Wo soll der Unterschied sein?

Horst Köhler ist ein herausragender Bundespräsident. Er hat das Ansehen Deutschlands im Ausland gemehrt. Er hat bewiesen, dass er Präsident aller Deutschen ist. Was die SPD jetzt macht, ist parteipolitisches Geschacher mit Blick auf das Wahljahr 2009. Hinzu kommt: Herr Beck hat eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei im Bund definitiv ausgeschlossen. Für die Wahl des Bundespräsidenten soll das jetzt wieder nicht gelten. Hier wird der Wortbruch zur Tradition.

Die Wahl ist geheim, Horst Köhler hat 2004 gegen Gesine Schwan mindestens zwölf Stimmen aus dem eigenen Lager nicht bekommen.

Die Union wird Horst Köhler geschlossen unterstützen.

Befürchten Sie eigentlich nicht, dass diese Auseinandersetzung die zarten Pflänzchen einer Öffnung der Parteien für neue Konstellationen – siehe Schwarz-Grün in Hamburg – wieder verwelken lässt und jeden zurück in sein altes Lager zwingt?

Ich bin vorsichtig mit Prognosen, wie sich die Grünen verhalten, falls die SPD eine Kandidatin aufstellt. Die SPD hat die Grünen ja immer wie einen eigenen Vorhof behandelt, über den sie nach Belieben verfügen kann. Das hat die Grünen in den sieben Jahren rot-grüner Regierung sehr gedemütigt. Ich glaube nicht, dass sie sich zu einem bloßen Anhängsel der SPD degradieren lassen.

Aber die Grünen fanden 2004 schon einmal, dass Gesine Schwan die bessere Kandidatin wäre.

Ich höre von führenden Grünen lobende Worte über Horst Köhler.

In Maßen!

Grüne Politiker haben das Engagement des Bundespräsidenten für Afrika besonders gewürdigt. Es gibt viel Sympathie. Auf der Basis solcher Wertschätzung können auch sie Horst Köhler unterstützen. Ich finde es sehr spannend, wie sie sich entscheiden werden.

Jetzt aber noch mal: Ist das, was wir derzeit erleben, nicht das faktische Ende der großen Koalition, der Beginn eines Dauerwahlkampfs über eineinhalb Jahre?

Die große Koalition hat einen Koalitionsvertrag, und es stehen noch eine Reihe von wichtigen Entscheidungen für das Land an. Zum Bundespräsidenten steht in diesem Vertrag nichts. Und was Kampfhandlungen angeht – ich neige nicht zur martialischen Sprache.

Der Vorgang ist folgenlos?

Es steht außer Frage, dass die Zusammenarbeit nicht einfacher würde, wenn die SPD sich für eine Gegenkandidatur entscheidet. Ein solches Verhalten wäre in beachtlichem Maße unfreundlich.

Sind Sie und Ihre Parteivorsitzende, Kanzlerin Angela Merkel, eigentlich von der Entwicklung bei der SPD überrascht worden?

Als Generalsekretär muss ich jede Möglichkeit in meine Erwägungen einbeziehen. Angesichts der inneren Verfassung der SPD habe ich eine solche Entwicklung nie ausgeschlossen. Herr Beck ist ja nicht mehr Herr des Verfahrens in der eigenen Partei.

Was meinen Sie damit?

Der Parteivorsitzende der SPD hätte doch vorige Woche seinem Präsidium vorschlagen können, Horst Köhler zu unterstützen, wenn der Bundespräsident sich zu einer zweiten Amtszeit bereit erklärt. Stattdessen hat Herr Beck beschließen lassen, erst mal abzuwarten. Das war eine Einladung an alle in der SPD, insbesondere der Linken, aus rein parteitaktischem Kalkül den amtierenden Bundespräsidenten infrage zu stellen.

Was lässt Sie denn glauben, dass Beck es nicht genau darauf angelegt hatte?

Kurt Beck selbst. Ich zitiere den SPD-Vorsitzenden, was er im Juli des letzten Jahres über den Bundespräsidenten gesagt hat: „Er ist ein populärer Präsident.“ Und noch im April dieses Jahres: „Ich schätze die Arbeit des Bundespräsidenten sehr.“ So was sagt man nicht, wenn man eine Gegenkandidatur plant.

Gesine Schwan hat eine Biografie, die sie als Antikommunistin ausweist. Sie verkörpert keinen Linksruck.

Wenn das so ist, verstehe ich umso weniger, wieso Frau Schwan sich in dieser Situation um dieses Amt bewerben sollte. Fakt ist, dass sie bei dieser Wahl auf die Stimmen linker und rechter Extremisten setzen muss. Das wäre ein Verrat an den eigenen früheren Überzeugungen!

Wenn wir Sie so hören: Sie warnen Beck vor einem Wortbruch, Sie sagen, Beck führt die SPD nicht mehr – ist mit einem derart unzuverlässigen, unkalkulierbaren Partner noch Koalition zu machen?

Es geht hier um die Wiederwahl des Bundespräsidenten ...

Oh, da fällt uns noch mehr ein. Die Diätenerhöhung für die Bundestagsabgeordneten ist rückgängig gemacht worden, weil SPD-Fraktionschef Peter Struck plötzlich doch nicht mehr für seine Abgeordneten einstehen konnte. Unionspolitiker haben das scharf kritisiert: Man könne sich auf Zusagen der SPD nicht mehr verlassen.

Es wird jetzt noch mehr darauf ankommen, dass die CDU die Stimme der Vernunft in der Koalition bleibt. Ich habe es auch nicht aufgegeben, auf die Stimmen eines Herrn Steinbrück oder eines Herrn Steinmeier zu warten, die gegen diesen Linkskurs der SPD endlich aufbegehren.

Apropos Erscheinungsbild: Da steht ja nun auch die Union nicht makellos da. In CDU und CSU herrscht große Uneinigkeit über die Steuerpolitik: Die CSU will eine Steuerreform jetzt, die CDU-Spitze jetzt noch nicht – was gilt denn nun?

Wir werden als CDU im nächsten Frühjahr ein Steuerkonzept vorlegen und dann im Sommer des kommenden Jahres ein gemeinsames Unionskonzept vorstellen. Dabei wird die steuerliche Entlastung der Beschäftigten im Vordergrund stehen. CDU und CSU werden für den Wahlkampf des Jahres 2009 inhaltlich und strategisch gut aufgestellt sein.

Dass Arbeitnehmer- und Wirtschaftsflügel Ihrer Partei gemeinsam drängeln, irritiert Sie bei diesem Zeitplan nicht?

Es wird ja bereits für das nächste Jahr zu Entlastungen kommen: Sobald im Herbst der Existenzminimumbericht vorliegt, wollen wir das Kindergeld und den Kinderfreibetrag erhöhen. Mehr ist aber zum 1. Januar 2009 wirklich nicht möglich, wenn wir das Ziel nicht aufgeben wollen, bis 2011 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Nach der letzten Steuerschätzung werden wir in den Jahren 2008 bis 2011 für den Bund lediglich 1,5 Milliarden Euro Mehreinnahmen haben.

Kann Bayerns Finanzminister und CSUChef Erwin Huber nicht rechnen?

Natürlich kann er das. Sonst stände Bayern finanziell nicht so gut da. Aber Prognosen über künftige Steuereinnahmen sind immer mit großen Unsicherheiten behaftet.

Huber will für 2009 genau die Verbesserung für Familien, die Sie auch wollen – plus die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale. Die echte Steuersenkung soll erst ab 2010 kommen. Warum trägt die CDU das nicht einfach mit?

Der Grundsatz, den Menschen wieder mehr Netto vom Brutto zu lassen, ist richtig. CDU und CSU eint die Forderung nach mehr Netto und das Festhalten an der Haushaltskonsolidierung. Bei der Pendlerpauschale bleibt es dabei, dass wir das Urteil des Verfassungsgerichts im Herbst abwarten. Wenn es dann Handlungsbedarf gibt, werden wir handeln.

Läuft die CDU nicht Gefahr, mit diesem gemächlichen Zeitplan heillos ins Hintertreffen zu geraten? Immer mehr Menschen haben doch das Gefühl, dass sie vom Aufschwung nichts haben.

Das Gefühl ist auch nicht völlig unbegründet. Die Menschen erleben, dass höhere Heizkosten und steigende Benzinpreise durch die letzten Lohnsteigerungen nicht ausgeglichen worden sind. Dennoch: Die große Koalition hat die historische Aufgabe, endlich die Verschuldung zurückzufahren und die Staatsfinanzen zu sanieren. Wir werden dieses Ziel in Deutschland sonst nie erreichen. Die Politik, den zukünftigen Generationen immer größere Schuldenberge zu überlassen, muss endlich ein Ende haben.

Also: Die CDU verspricht den Menschen, dass sie demnächst ein Steuerreformkonzept vorlegt, das irgendwann in der Zukunft verwirklicht werden soll und von dem vorerst niemand weiß, wie viel Entlastung es wem bietet. Und das soll reichen als Antwort auf den jüngsten Armut- und Reichtumsbericht der Bundesregierung?

Also erstens: Unser Entlastungskonzept zielt auf die nächste Legislaturperiode ab. Es wird vor allem Familien mit Kindern sowie den Beschäftigen wieder mehr Netto geben. Zweitens: Der Armutsbericht spiegelt das Ergebnis nach sieben Jahren rot-grüner Regierung wider. Er beruht nämlich auf den Zahlen des Jahres 2005! Das ist bekanntlich das Jahr des Regierungswechsels gewesen. Wir haben seitdem 1,6 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen. Unter der Regierung Schröder sind in der gleichen Zeit 1,6 Millionen Arbeitsplätze vernichtet worden. Wir haben doch längst eine Trendumkehr in Deutschland. Die ist in den Zahlen von 2005 natürlich noch nicht sichtbar.

Ein Armutsbericht mit den Zahlen von heute würde ein anderes Bild zeigen?

Ein aktualisierter Bericht hätte eine klare Botschaft: Es geht aufwärts!

Der würde dann nur leider erst von der nächsten Regierung vorgestellt …

… die aber wir stellen werden. Insofern macht mir diese Zeitverschiebung nun wirklich kein Kopfzerbrechen.

Das Gespräch führten Robert Birnbaum und Hans Monath.


ZUR PERSON

NIEDERRHEIN

Ronald Pofalla, Jahrgang 1959, stammt vom Niederrhein und studierte Sozialpädagogik in  Düsseldorf. Im Zweitstudium ließ er sich in Köln zum Juristen ausbilden. Seit 1991 ist er als Rechtsanwalt zugelassen.

PARTEIMANN

Schon mit 20 Jahren war er CDU-Fraktionschef im Gemeinderat seines Heimatortes Weeze. Der Union gehört er seit 1975 an. Seit 1990 sitzt er im Bundestag.

GENERAL

Im Dezember 2005 wurde er auf Vorschlag von CDU-Chefin Angela Merkel zum CDU-Generalsekretär ernannt, die formelle Wahl durch einen Parteitag erfolgte ein Jahr später. Tsp

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