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Politik: Die Stunde der Unbelehrbaren

Splittergruppen in Nordirland hoffen auf Zulauf von der IRA

Dublin - Das Versprechen der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) vom Donnerstag, den „bewaffneten Kampf“ mit sofortiger Wirkung einzustellen und die Waffen zu entsorgen, gilt „nur“ für die wichtigste Gruppierung unter den republikanischen Gruppen. Streng genommen handelt es sich um die 1970 entstandene „Provisorische“ IRA. Daneben gibt es weiterhin kleinere Grüppchen, die den gesamten Friedensprozess ablehnen. Sie verfügen allerdings über keinen nennenswerten politischen Rückhalt.

Die älteste unter ihnen ist die Irish National Liberation Army (INLA), die nur noch gelegentlich auftaucht und wohl nur noch auf dem Papier existiert. 1986, als die mit der IRA unzertrennlich verbundene Sinn-Féin-Partei beschloss, das irische Parlament anzuerkennen, spaltete sich „Republican Sinn Féin“ ab, die offiziell keinen militärischen Flügel hat. Sie steht aber der „Real IRA“ (RIRA) und der „Continuity IRA“ (CIRA) nahe, die sich seit dem ersten Waffenstillstand der IRA 1994 abgesplittert haben. Diese beiden scheinen in gewissen Gegenden zusammenzuarbeiten.

Die CIRA und die RIRA versuchen unverändert, Anschläge gegen britische und nordirische Sicherheitskräfte zu verüben. Im August 1998 waren sie für den bisher blutigsten Anschlag des gesamten Nordirland-Konflikts verantwortlich, für die Autobombe in Omagh, die 29 Menschenleben kostete. Aber diese Gruppen sind weitgehend von Spitzeln durchsetzt. Die irische Polizei scheint dort über so gute Quellen zu verfügen, dass geplante Attacken im Keim erstickt werden können. Natürlich hoffen diese Unbelehrbaren auf frustrierte Überläufer aus der IRA und bezichtigen die große Schwester des Verrats an republikanischen Idealen. Aber die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass viele enttäuschte Militante sich einfach zurückziehen, ohne wieder einer neuen Gruppe beizutreten.

Größere Gefahr droht der bevorstehenden Demobilisierung der IRA indessen vom Unwesen protestantischer Untergrundverbände. Gerade in den letzten Wochen haben zwei davon, die „Ulster Volunteer Force“ (UVF) und deren Absplitterung „Loyalist Volunteer Force“ (LVF), wieder einmal ihre blutigen Fehden ausgetragen. Im Verlaufe solcher Rivalitäten geschieht es nicht selten, dass sich die eine oder andere Gruppe durch willkürliche Übergriffe auf beliebige Katholiken zu profilieren versucht.

Die britische Armee hat am Freitag begonnen, militärische Anlagen und Beobachtungstürme an der nordirischen Grenze zu demontieren – als Geste des guten Willens.

Martin Alioth

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