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Politik: Die Umverteiler

Von Harald Schumann

Die Gesundheitsreform ist Murks, die Koalition streitet, die Kanzlerin ist angeschlagen. Allenthalben entsteht der Eindruck, diese Regierung verwalte nur den Stillstand.

Doch Vorsicht, das ist ein Irrtum. Die große Koalition folgt durchaus einer klaren Linie. Es ist die gleiche, der schon Angela Merkels Vorgänger Gerhard Schröder und Helmut Kohl immer treu blieben: Die Bundesregierung handelt so, dass die Steuer- und Abgabenlast in stetig wachsendem Maß von Arbeitnehmern, Rentnern und Familien getragen werden muss, damit Unternehmen und deren Eigentümer entsprechend weniger zur Finanzierung des Staates zahlen müssen.

Wenn im nächsten Jahr die Mehrwertsteuer steigt, die Pendlerpauschale gekürzt wird, der Sparerfreibetrag sinkt und bald darauf die „kleine Kopfpauschale“ für die Krankenversicherung fällig wird, dann trifft das in erster Linie Bürger mit geringem Einkommen und solche mit Kindern im Haushalt. Weil die beinahe jeden Euro ausgeben müssen, zahlen sie relativ am meisten drauf. Und gerade ihre Sparbücher sind es, deren Zinserträge nun steuerpflichtig werden.

Demgegenüber sorgen sich die schwarz-roten Umverteiler offenbar sehr um das Wohl der Vermögenden. So soll es in Deutschland, anders als in anderen Industrieländern, künftig keine Erbschaftsteuer auf vererbte Betriebe mehr geben, wenn deren Arbeitsplätze zehn Jahre lang bestehen bleiben. Dabei kann Finanzminister Peer Steinbrück keinen Betrieb nennen, der wegen der Erbschaftsteuer schließen musste, zumal die ohnehin zehn Jahre lang gestundet werden kann. Auch für Spitzenverdiener am Kapitalmarkt winkt ein großes Geschenk: die Abgeltungssteuer. Auf Kapitalerträge soll künftig nur noch ein Standardsatz von 25 Prozent erhoben werden. Das entspricht de facto einer erneuten Senkung des Spitzensteuersatzes, zumindest für Vermögende.

Zu allem Überfluss sollen auch die Gewinnsteuern für Unternehmen zum dritten Mal binnen zehn Jahren gesenkt werden, obwohl es dafür keine rationale Begründung gibt. Wohl spricht viel dafür, den nominalen Steuersatz auf 29 Prozent zu senken und so dem EU-Durchschnitt zu nähern. Aber das rechtfertigt nicht die bereits angekündigten realen Einnahmeverluste von mindestens fünf, wahrscheinlich sogar acht Milliarden Euro, obwohl sich das durch den Abbau von überflüssigen Vergünstigungen leicht vermeiden ließe.

All das wäre leicht zu ertragen, wenn es tatsächlich mehr Wachstum und gute Jobs brächte. Aber genau das tritt niemals ein. Erst versuchte es die Kohl-Regierung, dann senkte auch Rot-Grün die Last für Unternehmen radikal um 20 Milliarden Euro pro Jahr. Auch deshalb stiegen zwischen 1991 und 2004 die Gewinne der Kapitalgesellschaften um satte 50 Prozent. Trotzdem drosselte der Unternehmenssektor die Investitionen im selben Zeitraum um ein Drittel, weil gleichzeitig auch die Lohneinkommen stagnierten und die öffentliche Hand immer weniger investierte.

Wann endlich werden also unsere Regierenden verstehen, dass es einfach nichts bringt, den Unternehmen und Vermögenden zu höheren Gewinnen zu verhelfen, wenn dadurch die Normalverdiener und der Staat selbst immer weniger kaufen und investieren? Als die Kanzlerin vom „Sanierungsfall Deutschland“ sprach, war das maßlos übertrieben, gemeint war eigentlich nur die Staatskasse. Ihre Regierung ist allerdings drauf und dran, das finstere Prädikat für das Land als Ganzes wahr zu machen.

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