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Politik: Die unerwünschten Drei

In Polen sind zum Treffen mit Berlin und Paris Zweifel an dem Bündnis laut geworden

Silbern glänzen die aufgepflanzten Bajonette der Ehrengarde. Doch zumindest beim Publikum hinter den Absperrgittern am Marktplatz von Breslau ist die Stimmung schon vor dem mit Spannung erwarteten Gipfel versöhnlich. Freundlicher Beifall brandet auf, als die drei Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs und Polens ihrem Busgefährt entsteigen. Nur die Spottplakate einiger Jugendlicher erinnern beim Abspielen der Nationalhymnen an den Konflikt, der das trinationale Verhältnis zuletzt aus dem Gleichgewicht gebracht hat: „Soldaten für polnischen Lebensraum im Irak zu mieten!“ Angesäuerte Irritationen hatte bei den beiden Alt-EU-Mitgliedern der als willfährig empfundene Schulterschluss Polens mit der amerikanischen Führungsmacht im Irak-Konflikt ausgelöst.

Die vor allem von Chirac krass formulierten Zweifel an der Verlässlichkeit des künftigen EU-Partners hatten in Warschau für kräftige Verstimmung gesorgt. Angestrengt mühen sich denn auch die drei Partner, bei der seit langem terminierten Gipfel-Konferenz des Weimarer Dreiecks einträchtige Harmonie zu demonstrieren. Er müsse den beiden Partnern für die Unterstützung bei den Beitrittsverhandlungen danken, begrüßt Polens Präsident Aleksaner Kwasniewski seine Gäste. Für alle Europäer sei der bevorstehende Beitritt des „wunderbaren Polens“ ein „Grund zur Freude“, versichert artig Jacques Chirac. Er freue sich, Polen bald als „Vollmitglied“ in der EU zu begrüßen, stimmt Schröder in den dreistimmigen Versöhnungschor mit ein. Und alle drei Regierungschefs sprechen sich für „pragmatische Lösungen“ beim Wiederaufbau des Irak aus. Ihre bisherige Zusammenarbeit im „Weimarer Dreieck“ wollen sie ausweiten.

„Wroclaw sagt ja zu Europa!“, müht sich ein mächtiges Banner an der Rathauswand gipfelgerechte EU-Begeisterung zu verbreiten. Während die angereiste Politprominenz im Innern des historischen Gemäuers hinter verschlossenen Türen die Verstimmungen der letzten Wochen aus dem Weg zu räumen sucht, schallt über den Marktplatz blechern die Europa-Hymne. Blaue Europa-Ballons zieren die Informationsstände der pro-europäischen „Breslauer Schuman-Parade“. Zur Mitgliedschaft in der EU habe sein Land keine Alternative, begründet der Politik-Student Maczyk Bramszak sein Engagement in der Wahlkampfkampagne für das bevorstehende Referendum über Polens EU-Beitritt: „Oder sollen wir uns etwa mit Weißrussland verbünden?“ Umfragen zufolge sind nach wie vor 60 bis 70 Prozent der Polen für den EU-Beitritt. Doch die Entbehrungen des mühsamen Transformationsprozesses, immense Wirtschaftsprobleme und die scheinbar unendliche Kette von Politskandalen haben den einstigen EU-Enthusiasmus merklich gedämpft: Es mehren sich die Zweifel, ob bei der für den 7. und 8. Juni anberaumten Volksbefragung die für deren Gültigkeit nötige Wahlbeteiligung von 50 Prozent erreicht werden kann.

„Vereint Euch Polen – und stimmt mit Nein“, fordert das Flugblatt, das die ganz in Schwarz gekleideten Aktivisten der „Polnischen Nationalen Front“ verteilen. „Endlich einmal patriotisch gesinnte junge Leute“, freut sich eine ältere Dame über das Pamphlet, das vor Homosexuellen, Sterbehilfe, Abtreibung und der Kolonisation durch „die Deutschen“ bei einem EU-Beitritt warnt.

Nein, er habe nicht den Eindruck, dass ihn seine enge Freundschaft zu US-Präsident George Bush den französischen und deutschen Freunden entfremdet habe, will Kwasniewski Zweifel an der dauerhaften Kittung zerschlagenen diplomatischen Porzellans nicht aufkommen lassen. Doch zumindest Chirac deutet an, dass er auch künftig von polnischen Sonderbeziehungen zu den USA keineswegs begeistert ist: „Bei aller Achtung vor Polen: Wir brauchen keine Brücke zwischen den USA und Europa.“

Thomas Roser[Warschau]

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