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Politik: "Die Verlierer werden das Ergebnis nicht akzeptieren" - Angst vor einem Bürgerkrieg belastet das Votum in der früheren portugiesischen Kolonie

Nach fast einem Vierteljahrhundert brutaler Unterdrückung durch das indonesische Militär darf das verarmte und geschundene Ost-Timor am Montag selbst über seine Zukunft entscheiden - zumindest auf dem Papier der Wahlzettel. Autonomie innerhalb Indonesiens oder Unabhängigkeit als Zwergstaat sind die Alternativen, über die 450 000 Bürger in der früheren portugiesischen Kolonie abstimmen.

Nach fast einem Vierteljahrhundert brutaler Unterdrückung durch das indonesische Militär darf das verarmte und geschundene Ost-Timor am Montag selbst über seine Zukunft entscheiden - zumindest auf dem Papier der Wahlzettel. Autonomie innerhalb Indonesiens oder Unabhängigkeit als Zwergstaat sind die Alternativen, über die 450 000 Bürger in der früheren portugiesischen Kolonie abstimmen. "Es geht um Freiheit oder Unterdrückung", sagen die Anhänger der Unabhängigkeit. Doch viele Beobachter fürchten, dass die wahrscheinlichste Entwicklung eine andere ist: Bürgerkrieg.

"Wie auch immer das Referendum ausgeht, die Verlierer werden das Ergebnis nicht akzeptieren", sagt ein Diplomat in Jakarta. Wie die Dinge liegen, stehen die Verlierer schon fest: Alle Prognosen gehen von einem klaren Sieg der Unabhängigkeitsbewegung aus. Doch genau das könnte zum schlimmsten aller Szenarien führen: "Ströme von Blut" drohen die pro-indonesischen Milizen für diesen Fall an, "ein Meer aus Feuer".

Es wäre nur ein weiteres tragisches Kapitel in der Geschichte dieser kleinen Inselhälfte am Ende der Welt, nur eine Flugstunde von Australien entfernt, von der internationalen Gemeinschaft lange vergessen. Die Kolonialmacht Portugal zog 1975 überstürzt aus Ost-Timor ab, kommunistische Guerillas der Fretilin bereiteten die Machtübernahme vor, bis Indonesien unter dem Beifall und mit den Waffen des Westens das Ländchen besetzte. In den Jahren danach starben über 200 000 Menschen, brutal ermordet oder elend verhungert, ein Drittel der Bevölkerung, ein Völkermord.

Nach 24 Jahren Besatzung ist Ost-Timor eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Territorien der Welt. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei gerade 100 Dollar im Jahr, 50 Pfennig pro Tag. Doch für Indonesien waren die Kosten hoch, so hoch, dass Präsident Bacharuddin Jusuf Habibie Anfang des Jahres in Aussicht stellte, den "Stein im Schuh" Jakartas loswerden zu wollen. Indonesien, die frühere Kolonialmacht Portugal und die Vereinten Nationen einigten sich auf das Referendum, das am Montag über die Zukunft Ost-Timors entscheiden soll.

Größtes Handicap des Vertrages: Die Verantwortung für die Sicherheit blieb beim indonesischen Militär, nur 900 unbewaffnete UN-Angehörige sollten die Abstimmung vorbereiten. Machtlos musste die UN-Mission Unamat zusehen, wie bewaffnete Milizen, die manche Todesschwadronen nennen, die Inselhälfte mit Terror überzogen. Niemand bezweifelt, dass dies mit Unterstützung der indonesischen Streitkräfte geschieht.

"Die UN und die Welt haben andere Sorgen", zeigt sich ein Diplomat in Jakarta skeptisch. So werden zunächst Evakuierungspläne geschmiedet. Wenn aber die mehreren tausend Beobachter und Journalisten erst wieder abgereist sind, könnte der Traum der Ost-Timoresen von der Unabhängigkeit zum Albtraum werden. "Wir kämpfen bis zum letzten Blutstropfen", sagt Eurico Guterres, der Führer der pro-indonesischen Milizen.

Thomas Lanig

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