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Politik: „Die Wahrheit muss aufgedeckt werden“ Spanien blockiert die Aufklärung der Franco-Ära

Dagegen wehren sich Opfer und ihre Angehörige.

Madrid - „Schluss mit der Straflosigkeit“, rufen sie. „Wir wollen endlich Gerechtigkeit!“ Mehrere hundert Demonstranten haben sich im Zentrum der spanischen Hauptstadt Madrid eingefunden. Viele sind im Rentneralter und stützen sich auf Gehstöcke. Sie haben Folter, Repressalien und Mordkampagnen des Franco-Regimes überlebt – und warten auch fast 40 Jahre nach dem Tod des Militärdiktators Francisco Franco auf eine staatliche Geste der Wiedergutmachung.

Die „Plattform gegen die Straflosigkeit“ hat vor dem „Königlichen Posthaus“ auf dem berühmten Platz „Puerta del Sol“ zum Protest gerufen. Während der rechten Franco-Diktatur von 1939 bis 1975 befanden sich dort die Folterkeller der politischen Polizei. Inzwischen residiert die konservative Regionalregierung in dem prachtvollen Bau. Jede Woche ziehen Franco-Opfer und ihre Angehörigen mit Transparenten über den Platz. „Wir wollen, dass die Wahrheit aufgedeckt wird“, steht auf einem Plakat.

Die Wahrheit ist, dass unter dem Franco-Regime schwere Menschenrechtsverbrechen begangen wurden. Francos Schergen sollen mehr als 100 000 Oppositionelle ermordet und irgendwo in Massengräbern verscharrt haben. Die sterblichen Überreste vieler Opfer sind bis heute nicht gefunden. Zudem wurden schätzungsweise 30 000 Babys „regimefeindlicher“ Mütter verschleppt und von regimenahen Eltern adoptiert.

Der spanische Staat drückt sich bis heute vor einer Aufarbeitung dieser dunklen Vergangenheit. Mit Verweis auf ein 1977 erlassenes Amnestiegesetz, das allen Franco-Tätern Straffreiheit zusichert, werden bis heute Forderungen nach strafrechtlicher Aufarbeitung und Wiedergutmachung abgelehnt. Der einzige spanische Richter, der es wagte, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, bezahlte dies 2012 mit einem Berufsverbot. Es handelte sich um Spaniens bekannten Ermittler Baltasar Garzón, der durch seine Jagd auf südamerikanische Diktatoren wie den chilenischen Ex-Diktator Augusto Pinochet weltberühmt wurde.

Spaniens Diktatur-Opfer müssen auf Hilfe aus dem Ausland hoffen. Eine Untersuchungsrichterin im argentinischen Buenos Aires machte nun den Anfang, verhängte einen internationalen Haftbefehl gegen ehemalige Polizeioffiziere des Regimes und verlangt von Spanien deren Auslieferung. Unter Franco seien Andersdenkende systematisch verfolgt und eliminiert worden, schreibt María Servini in ihrem Untersuchungsbericht. Nach dem völkerrechtlichen Prinzip der „universellen Justiz“ können „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in jedem Staat verfolgt werden, wenn im Herkunftsland der Täter keine Strafverfolgung stattfindet. Auch können Völkerrechtsverbrechen nicht mit einer Amnestie getilgt werden. Die Vereinten Nationen erinnern Spanien regelmäßig daran, dass es verpflichtet sei, „die Menschenrechtsverbrechen der Vergangenheit zu untersuchen“, das Schicksal der Verschwundenen aufzuklären und das Amnestiegesetz aufzuheben. Ohne Erfolg. Spaniens konservative Regierung ist nicht gewillt, den Opfern entgegenzukommen: Die bescheidene finanzielle Hilfe für Opfervereinigungen wurde kurzerhand gestrichen. Ralph Schulze

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