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Politik: „Die Welt blickt nur noch nach Darfur“

Der sudanesische Außenminister Ali Ahmed Karti über seine Enttäuschung über den Westen und die Hilfe aus China

Was war das Ziel Ihres Besuchs in Deutschland?

Wir sind auf Einladung von deutschen Freunden hier, die zuvor archäologische Ausgrabungsstätten im Sudan besucht hatten. Wir waren auch im Ägyptischen Museum, dort sind Stücke aus dem Sudan zu sehen. Denn es waren deutsche Archäologen, die die Funde im Sudan gemacht haben. Wir haben auch ein Gespräch mit dem Staatsminister im Außenministerium, Gernot Erler, geführt. Dabei ging es um den Frieden in Darfur. Wir haben uns über die Rolle der internationalen Gemeinschaft und der Vereinten Nationen bei einer Friedenslösung unterhalten. Die Beziehungen zu Deutschland sind historisch. Ich denke, sie sollten vertieft werden. Wir wollen auch unsere kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland verbessern.

Vor zwei Jahren ist Frieden zwischen Norden und Süden geschlossen worden. Wie kommt der Wiederaufbau voran?

Das Friedensabkommen betrifft nicht nur die Zentralregierung und den Süden, sondern sämtliche Regionalregierungen im Land. Vor allem hat der Friedensschluss aber einen 22-jährigen Krieg beendet. Es gibt eine eigene Regierung und ein Parlament im Süden, und der frühere Rebellenchef im Südsudan ist Vizeregierungschef der Zentralregierung geworden.

Warum gibt es trotz des Abkommens noch Streit um die Öleinnahmen?

Der Süden bekommt genauso viel von den Eröleinnahmen, wie es im Abkommen vorgesehen ist. Das findet unter der Kontrolle der früheren Befreiungsbewegung des Südens statt. Wir haben bisher keine Klagen darüber gehört. Betrug ist da nicht möglich. Es gibt allerdings Probleme mit der Grenzziehung. Bei der Geberkonferenz in Oslo im vergangenen Jahr sind Sudan Mittel zugesagt worden, um eine Grenzkommission aus dem Norden, dem Süden und der internationalen Gemeinschaft zusammenzustellen. Leider hat die internationale Gemeinschaft dafür bisher nicht gezahlt. Das gilt auch für eine Volkszählung, für die die Geberländer aufkommen wollten. Auch da ist noch nichts passiert, obwohl wir diese Daten sowohl für Wahlen als auch für ein Referendum über die Verfassung brauchen. Wenn die internationale Gemeinschaft ihre Versprechen hält, wird es weniger Probleme geben. Aber leider interessiert sie sich nicht mehr für die Umsetzung des Friedensabkommens, sondern blickt nur noch auf Darfur. Das enttäuscht die Menschen im Süden, weil sich dort noch nicht viel geändert hat. Die Androhung eines Wirtschaftsboykotts und anderer Sanktionen sind Hindernisse auf dem Weg zur Umsetzung. Die Verbindung der beiden Fragen verhindert die Umsetzung des Abkommens. Daraus kann eine Haltung im Süden entstehen, die nach sechs Jahren zu einer Trennung führen könnte. Die internationale Gemeinschaft steht in der Pflicht, dass der Süden entwickelt wird.

Sie haben angekündigt, Hilfsorganisationen den Zugang nach Darfur zu erleichtern. Ist das schon umgesetzt?

Das Abkommen wurde schon 2004 mit den Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen geschlossen. Die Vereinbarung wird jährlich verlängert. Vor wenigen Tagen haben wir sämtliche Vorschläge der UN und der Nichtregierungsorganisationen in diesem Abkommen berücksichtigt. Wir haben alle Probleme gelöst.

Wenn ich heute als NGO ein Visum beantrage, können Sie garantieren, dass ich es innerhalb von 15 Tagen bekomme?

Ja, das wurde vereinbart. Sollte das nicht klappen, wenden Sie sich direkt an mich.

Schon kurz nach dem Ausbruch des Konflikts in Darfur hat die Regierung versprochen, die Reitermilizen Dschandschawid zu entwaffnen, denen Morde, Vergewaltigungen und andere schwere Menschenrechtsverletzungen in Darfur vorgeworfen werden. Wie weit sind Sie damit?

Zunächst möchte ich Ihnen erklären, was Dschandschawid sind. Das sind bewaffnete Banden. Es sind Räuber und Banditen. Die Opfer sind Zivilisten, internationale Organisationen, sie greifen sogar die Zentralregierung an. Sie nutzen den Kriegszustand aus. Und weil sie mobil sind, können wir sie auch nicht dingfest machen. Man kennt sie nicht. Solange es keine politische Lösung gibt, wird es niemandem gelingen, diese Waffen einzusammeln.

China fordert von der sudanesischen Regierung in der Darfurkrise mehr Flexibilität. Wie verstehen Sie das?

Sudan und China haben historische Beziehungen, die immer freundlich waren. Seitdem der Westen aufgehört hat, sich für den Sudan zu interessieren, hat China auch besondere wirtschaftliche Interessen im Sudan. Obwohl wir einmal exzellente wirtschaftliche Beziehungen zum Westen hatten. Aber das ist nicht unser Fehler. Die westlichen Länder haben uns zuerst wegen des Krieges im Süden und nun wegen der Krise in Darfur boykottiert. Das ist deren Entscheidung. Für uns ist wichtig, dass China keine politischen Bedingungen für die Zusammenarbeit mit dem Sudan gestellt hat. China ist unser Hauptentwicklungspartner. China hilft uns auch auf internationaler Ebene. Und wenn uns China einen Ratschlag erteilt, dass wir mehr mit der internationalen Gemeinschaft kooperieren sollen, dann nehmen wir das als freundschaftlichen Rat an. Denn wir wissen, dass China keine politische Agenda verfolgt, sondern nur eigene Interessen.

Das Interview führten Dagmar Dehmer und Sarah Kramer.

Ali Ahmed Karti

ist Außenminister des Sudan. Human Rights Watch wirft ihm vor, zuvor eine paramilitärische Gruppe befehligt zu haben, die im Süden Menschenrechte verletzt haben soll.

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