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Zugriff auf die Fluggastdaten: Die EU-Kommission erwägt offenbar einen neuen Anlauf zu nehmen, die Fluggastdatenspeicherung durch das Europäische Parlament zu bringen.

© dpa/Peter Ending

Fluggastdaten: Die zynische Logik der Sicherheitspolitiker

Nach den Anschlägen von Paris holen EU-Innenpolitiker ihre Wunschzettel hervor. Am EuGH werden Sie damit kaum vorbei kommen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Wenn an diesem Donnerstag die Innen- und Justizminister der Europäischen Union zu einem informellen Treffen in Riga zusammenkommen, haben einige von ihnen lange Wunschzettel in der Tasche. Trotz aller Bekenntnisse zur Freiheit hat nach den Anschlägen von Paris in der EU das sicherheitspolitische Wichteln wieder begonnen.

Die zynische politische Logik der Hardliner ist: Es gilt, die Gunst der Stunde zu nutzen. So forderten Briten und Deutsche, Behördenlöcher in Verschlüsselungstechniken zu bohren. Die Vorratsdatenspeicherung ist wieder da. Und jetzt wurde bekannt, dass die EU-Kommission intern auslotet, wie sie die Fluggastdatenspeicherung doch noch durch das Europäische Parlament bringen kann.

Die Fluggastdatenspeicherung soll doch noch irgendwie durch das Europäische Parlament gebracht werden

Der bislang vom Parlament blockierte Entwurf sah vor, Daten von Passagieren, die in die EU oder aus der EU reisen, in einer zentralen Datenbank zu speichern und sie nach „Gefährderprofilen“ zu durchsuchen. Nach einem nun von "Statewatch" geleakten Kommissionspapier wird offenbar weiterhin erwogen, nicht weniger als 42 Informationen zu erfassen, darunter Reiserouten, Namen, Bankdaten, Geschlecht, aber auch Essenswünsche an Bord, bis zu fünf Jahre. Gleichzeitig drängt der Anti-Terror-Beauftragte der EU darauf, auch innereuropäische Flüge zu erfassen und die Daten stärker unter den Mitgliedstaaten auszutauschen – 14 speichern schon heute.

Die Fluggastdatenspeicherung ist um ein vielfaches heikler als die Vorratsdatenspeicherung

Fraglich ist, ob ein solcher Entwurf überhaupt rechtens wäre. In seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung hat der Europäische Gerichtshof der Datensammelwut der Behörden deutliche Grenzen gesetzt. So kritisierte das Gericht, dass die Erhebung ohne jede Differenzierung oder Einschränkung erfolge – ein Argument, das auf die Fluggastdatenspeicherung ebenso zutrifft, zumal die Daten nicht bei Unternehmen, sondern in einer zentralen Datenbank erfasst werden würden. Der EuGH monierte außerdem, dass der Zugriff beschränkt werden müsse. Auch bei der Fluggastdatenspeicherung ist der Zugriff keineswegs nur bei Terrorismusverdacht möglich, sondern auch bei „schweren internationalen Straftaten“.

Dimitris Avramopoulos beschwichtigt

Neben der Frage der Rechtmäßigkeit stellt sich aber auch die Frage, was richtig ist. In seinem Urteil stellte der EuGH fest, dass das Gefühl erzeugt werde, dass das Privatleben der Bürger Gegenstand ständiger Überwachung sei. Gerade in der Zusammenschau der verschiedenen nun erneut diskutierten Maßnahmen (die in vielen europäischen Ländern schon Realität sind) entsteht dieses Gefühl tatsächlich. Wer wann wo mit wem gesprochen hat, wohin er gereist ist, was er auf dem Flug gegessen hat mit wem er sich eine Kreditkarte teilt, welche Webseiten er besucht – all diese Daten sind für viele europäische Behörden längst verfügbar: Bürgerprofile, die vielleicht nie abgerufen werden, aber das latente Gefühl von Nacktheit erzeugen.

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos beschwichtigte am Mittwoch, es gebe noch keinen abgestimmten Vorschlag. Außerdem seien Sicherheit und Freiheit doch zwei Seiten derselben Münze. Wenn das so wäre, könnte man die Freiheit nicht mehr sehen, wenn die Sicherheit oben liegt.

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