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Politik: Diesmal recht freundlich Von Malte Lehming

Der Kanzler freut sich. Bald kommt hoher Besuch.

Der Kanzler freut sich. Bald kommt hoher Besuch. Der Präsident der USA schaut vorbei. Mit dem lag Gerhard Schröder oft über Kreuz, erst wegen Kyoto und Internationalem Gerichtshof, dann wegen des Irakkriegs. Der Kanzler überschätze sich, warfen ihm seine Kritiker vor, er riskiere die transatlantischen Beziehungen, vergesse die deutsche Vergangenheit. Doch das focht Schröder nicht an. Auf seiner jüngsten Asienreise sattelte er noch einen drauf und regte an, die EU möge ihren Waffenboykott gegenüber China überdenken. Frechheit siegt. Denn George W. Bush kommt trotzdem! Der mächtigste Mann der Welt macht Schröder seine Aufwartung, nicht etwa umgekehrt. Er wird ihn loben, einen „wichtigen Partner“ nennen und sich Kritik verkneifen. Fazit: Es hat Deutschland nicht geschadet, Amerika Paroli zu bieten. Global betrachtet kann das Land sogar einen Respektgewinn verbuchen.

Mit der Inauguration am Donnerstag beginnt Bushs zweite Amtszeit. Gegenüber Deutschland hat er eine „Charmeoffensive“ angekündigt. Bush will die Gräben zu jenen Alteuropäern überbrücken, die ihm im Irakkrieg die Gefolgschaft verweigerten. Personalpolitisch hat er bereits eine Vorleistung erbracht. Condoleezza Rice soll seine neue Außenministerin werden, Bob Zoellick ihr Stellvertreter. Das sind ausgewiesene Transatlantiker. Die Wende hat nicht zuletzt der Verlauf der Irakinvasion bewirkt. Fast alle Prognosen der Kriegstreiber wurden widerlegt. Saddam Hussein hatte keine Massenvernichtungswaffen. Der Irak ist zwar heute ein Nährboden für Terroristen, war es aber nicht vor dem Krieg. Und die widerspenstigen Verbündeten krochen nicht reuevoll in den amerikanischen Schoß zurück. Die Neokonservativen in Washington, die einst große Töne spuckten, sind kleinlaut geworden.

Bushs neuer Realismus hat auch praktische Gründe. Das Rekorddefizit erlaubt keine neuen Abenteuer. Die Kapazitäten des Militärs sind restlos erschöpft. Immer mehr Reservisten werden eingezogen. Unter dem Dauerengagement im Irak leidet die Moral der Truppe. All das hat die Risikofreude der Amerikaner gedämpft. Deren Stimmung lässt sich so zusammenfassen: Lasst uns die Sache im Irak halbwegs ordentlich beenden – und dann nichts wie raus! Bush wurde, trotz des Irakkriegs, am 2. November mit großer Mehrheit wiedergewählt. Aber daraus ein Mandat für weitere „Präventivkriege“ abzuleiten, kommt keinem in der Administration in den Sinn. Es ist wie nach einer langen Achterbahnfahrt: Die meisten Amerikaner sehnen sich nach festem Boden unter ihren Füßen.

Bush reicht Schröder und anderen Kriegsgegnern die Hand. Er hat eingesehen, dass eine forcierte Rivalität zu Europa gefährlich wäre. Deshalb soll sich der Ton ändern. Ändert sich auch die Politik? Das zu erwarten, wäre voreilig. Der Kampf gegen den Terror ist weiter die oberste Priorität dieser Regierung. Die ideologische Grundlage der Bush-Doktrin gilt nach wie vor. Präventivkriege können, auch ohne Plazet des UN-Sicherheitsrates, geboten sein. Die beiden Reststaaten aus der Achse des Bösen, Iran und Nordkorea, bleiben im Fadenkreuz. Als was er in die Geschichtsbücher eingehen werde, wurde Bush unlängst gefragt. Er werde daran gemessen, antwortete er, ob es ihm gelungen sei, den Gedanken der Freiheit zu verbreiten. Zehn Tage nach seiner zweiten Amtseinführung finden zum ersten Mal freie Wahlen im Irak statt. In Afghanistan ist der Keim der Demokratie bereits aufgegangen.

Wenn Europa der Versuchung widersteht, Bush diese Errungenschaften madig zu machen, könnte aus der angebotenen Versöhnung mehr werden. Im Nahostkonflikt wurden bereits ermutigende Signale ausgesandt. Umgehend wurde Mahmoud Abbas, der frisch gewählte Palästinenserpräsident, ins Weiße Haus eingeladen. Auch in den Reformprozess der UN sollte die US-Regierung sich weitaus stärker einschalten als bisher. Irakkrieg? Schwamm drüber. Wer diese Wunde im transatlantischen Verhältnis offen halten möchte, bringt sie bloß zum Eitern. Bushs zweite Amtseinführung ist ein Neuanfang. Die Bereitschaft, dessen Chancen zu nutzen, muss mächtiger sein als die Lust an der Pflege alter Ressentiments.

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