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Verbraucherministerin Aigner erwartet Lösungsvorschläge aus der Branche.

© dpa

Dioxin-Skandal: Aigner erwartet Vorschläge der Futtermittelhersteller

Noch kann niemand genau sagen, wie das krebserregende Dioxin ins Tierfutter kam. Um den nächsten Skandal zu verhindern, will Agrarministerin Aigner nun die Futtermittelindustrie in die Pflicht nehmen.

Bundesagrarministerin Ilse Aigner hat von der Futtermittelindustrie „konkrete Vorschläge“ gefordert, wie weitere Dioxin-Fälle verhindert werden können. „Dieser Fall muss und er wird Konsequenzen haben“, sagte die CSU-Politikerin am Montag nach einem Krisentreffen mit Spitzenvertretern der Branche in Berlin. Die Organisation Foodwatch hatte zuvor erklärt, Rückstände aus Pflanzenschutzmitteln könnten für die hohe Dioxinbelastung von Futtermitteln verantwortlich sein. Aigner sagte dazu: „Ich will mich nicht an Spekulationen von selbst ernannten Experten beteiligen.“ Die Behörden arbeiteten mit Hochdruck daran, die Quelle zu finden.

Auf Basis der nun zu erarbeitenden Vorschläge aus der Branche werde sie über Veränderungen entscheiden. Ein Punkt werde auch die Frage der Zulassung von Betrieben sein. „Der entstandene Schaden ist immens“, sagte Aigner. Nicht nur finanziell, sondern vor allem sei auch das Vertrauen der Verbraucher erschüttert. „Es gibt keinen Grund zur Panik, aber auch nicht zur Verharmlosung“, betonte die CSU- Politikerin. 1635 Betriebe sind nach Ministeriumsangaben noch gesperrt. Generelle Entwarnung werde es erst geben, wenn der Fall aufgeklärt sei.

Der vom Bauernverband geforderte Hilfsfonds für betroffene Bauern spielte dem Vernehmen nach in den Gesprächen keine Rolle. „Es ist bisher ja auch kein Schaden entstanden“, sagte ein Vertreter der Agrarwirtschaft der dpa. Die Sperrung von rund 5000 Höfen sei eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen. Mit Blick auf Befürchtungen im Ausland und erste Beschränkungen sagte Aigner, es gehe keine Gefahr von den deutschen Agrarprodukten aus.

Die EU-Kommission hält Importverbote anderer Staaten von Eiern oder Fleisch aus Deutschland für überzogen. „Das sind übertriebene Reaktionen angesichts der aktuellen Lage in Deutschland“, sagte der Sprecher von EU-Verbraucherkommissar John Dalli am Montag in Brüssel.

Die Dioxinbelastung der Produkte bedeute „keine unmittelbare Gefahr“ für Verbraucher. Südkorea blockiert seit Mitte vergangener Woche Schweinefleisch aus Deutschland. Nach Angaben der EU-Kommission hat das EU-Mitglied Slowakei dagegen kein vergleichbares Verbot ausgesprochen. Europäische Futterfett-Hersteller wollten am Montag in Brüssel mit der EU-Kommission tagen, um über die Trennung von Industrie- und Futterfetten in Produktion und beim Transport zu beraten.

Foodwatch hatte erklärt, die hohe Dioxinbelastung ergebe sich „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ aus dem Muster einer Futterfett-Probe, die von dem Partnerunternehmen des im Fokus der Ermittlungen stehenden Betriebs Harles und Jentzsch stammt. Die Organisation gab an, die Analyse der Dioxin- und Furanverbindungen in der Probe weise auf Rückstände einer Pentachlorphenol-Verbindung hin, wie sie als Pilzgift eingesetzt werde. In Deutschland darf Pentachlorphenol seit 1986 nicht mehr produziert und seit 1989 nicht mehr gehandelt und angewendet werden. Nach Angaben von Foodwatch wird es aber in Südamerika und Asien zum Beispiel als Pilzgift im Sojaanbau verwendet.

Die analysierte Futterfett-Probe sei mit 123 Nanogramm Dioxin pro Kilogramm belastet gewesen, teilte die Organisation weiter mit. Der gesetzliche Höchstwert von 0,75 Nanogramm pro Kilo wäre damit um das 164-fache überschritten worden. Ein Sprecher des Kieler Landwirtschaftsministeriums erinnerte daran, dass diese sehr hoch belastete Probe von einer Charge Mischfettsäure stamme, die am 11. November bei Harles und Jentzsch eingegangen sei und von der Petrotec aus Emden (Niedersachsen) stamme. Harles und Jentzsch habe am 23. Dezember die Kieler Behörden informiert, was den Dioxin-Skandal ins Rollen brachte.

Nach dem Auftauchen einer neuen Lieferliste aus Niedersachsen wurden in Nordrhein-Westfalen am Montag weitere 113 Agrarbetriebe wegen Dioxin-Verdachts gesperrt. Das sagte ein Sprecher des NRW- Verbraucherschutzministeriums. Damit sind nun wieder 160 Betriebe in NRW gesperrt - ihre Produkte dürfen nicht in den Handel gebracht werden. In Schleswig-Holstein waren noch 61 Betriebe gesperrt.

In Niedersachsen sind nach der vorsorglichen Sperrung tausender Höfe bisher nur in weniger als zehn Betrieben tatsächlich belastete Erzeugnisse gefunden worden. Dabei habe es sich um Eier gehandelt, die alle vernichtet würden, sagte der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Hannover, Gert Hahne. In 1470 Betrieben laufen landesweit weiter Überprüfungen, rund 3000 gesperrte Höfe wurden am Wochenende wieder freigegeben.

Die SPD-Bundestagsfraktion forderte eine bundesweite Warnplattform für Lebensmittel. Dies geht aus einem Eckpunktepapier hervor, das 15 Forderungen umfasst. Unter www.lebensmittelwarnung.de sollten sich Verbraucher informieren können. Zudem verlangte die SPD-Fraktion, den Informantenschutz in der Lebensmittelbranche zu verbessern - etwa wenn Mitarbeiter die Behörden über Panschereien bei der Tierfutterproduktion informieren wollen. (dpa)

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