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Politik: Diplomatisches Desaster

Das glücklose Manöver des UN-Generalsekretärs.

Genf - Lange Zeit eilte dem UN-Generalsekretär der Ruf eines geschmeidigen Diplomaten voraus. In seiner Heimat Südkorea hatte sich Ban Ki Moon sogar den Spitznamen „schlüpfriger Aal“ erworben. Doch in diesen Tagen scheint Ban sein taktisches Geschick verloren zu haben. Er erlaubte sich einen Schnitzer, der in der jüngeren Geschichte internationaler Konferenzen wohl einmalig sein dürfte: Am Sonntag verkündete Ban, dass er den Iran zu der UN-Friedenskonferenz für Syrien am Mittwoch im Schweizer Montreux eingeladen habe. Doch nur einen Tag später kam die Kehrtwende. Ban kassierte auf Druck der USA und der syrischen Opposition die Einladung wieder.

Diplomaten befürchten, dass die ohnehin geringen Erfolgsaussichten für einen Syrien-Friedensprozess jetzt weiter schwinden. „Das hätte ihm nicht passieren dürfen“, raunten Mitarbeiter bei den Vereinten Nationen. Fast schon belustigt fiel die Reaktion in Russland aus: Bans Entscheidung sei ein „Fehler“, aber „keine Katastrophe“, ließ der russische Außenminister Sergej Lawrow wissen. Dann aber redete Lawrow Klartext: „Ich bedauere, dass diese ganze Geschichte nicht zur Autorität der Organisation der Vereinten Nationen beiträgt.“ Nach dem Hickhack muss Gastgeber Ban auf der eintägigen Konferenz in Montreux mit dem Makel eines überforderten UN-Generalsekretärs auftreten. Und es ist schwer vorstellbar, dass Teheran nach dieser Brüskierung bei einer Lösung des Konflikts helfen will.

Teheran als großer regionaler Verbündeter des Assad-Regimes aber spielt eine Schlüsselrolle im Syrien-Konflikt. Ohne die Unterstützung der Iraner wäre Gewaltherrscher Baschar al Assad in noch viel größere Schwierigkeiten gerutscht. Das Mullah-Regime wäre in der Lage, Assad Konzessionen abzuringen. Viele westliche Regierungen und sogar der Vatikan hatten deshalb eine Teilnahme Teherans begrüßt. Ban rechtfertigt die Ausladung so: Er sei „tief enttäuscht“ über die Iraner. Sie hätten ihm zunächst Zusicherungen gemacht, zu denen sie sich später öffentlich nicht mehr bekennen wollten. Konkret geht es um die Bildung einer syrischen Übergangsregierung.

Diese Regierung soll den Weg zu einem friedlichen, demokratischen Staat ebnen. Auf dieses Konzept hatte sich eine erste Friedenskonferenz für Syrien im Jahr 2012 in Genf geeinigt. Doch die Übereinkunft wurde nie umgesetzt. Stattdessen eskalierte der Bürgerkrieg zwischen Assad und den Oppositionskämpfern. Inzwischen starben weit mehr als 100 000 Menschen, rund neun Millionen Männer, Frauen und Kinder sind auf der Flucht.

Wie aber konnte es zu der Farce um die Iran-Ausladung kommen? Wahrscheinlich gab es Kommunikationspannen zwischen dem UN-Chef einerseits sowie den Amerikanern und Syriens Opposition andererseits. Washington und die Syrische Nationale Koalition drohten mit ihrem Fernbleiben in Montreux, falls die Iraner dort erscheinen. Um die Konferenz nicht zu gefährden, musste Ban nachgeben. Nun sollen in Montreux Delegationen aus rund 40 Staaten und einiger internationaler Organisationen zusammenkommen – zunächst zum Reden. Ab Freitag dann sollen Emissäre des Assad-Regimes und der Opposition in Genf mit den Verhandlungen beginnen. Jan Dirk Herbermann

Jan Dirk Herbermann

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