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Politik: Drei Kandidaten stehen im offenen Kampf um die Macht - und übergehen das Geschehen in Osttimor mit Schweigen

Niemand kann gegenwärtig vorhersagen, wer das nächste Staatsoberhaupt Indonesiens sein wird, wenn die "beratende Volksversammlung" am 20. Oktober zu seiner Wahl zusammentritt: Megawati Sukarnoputi, die Siegerin der ersten demokratischen Parlamentswahlen vom Juni, ihr stärkster Konkurrent, der nach schweren Korruptionsskandalen und der Ost-Timor-Krise schwer angeschlagene Amtsinhaber Jussuf Habibie oder gar der unberechenbare Moslempolitiker Abdurrahman Wahid?

Niemand kann gegenwärtig vorhersagen, wer das nächste Staatsoberhaupt Indonesiens sein wird, wenn die "beratende Volksversammlung" am 20. Oktober zu seiner Wahl zusammentritt: Megawati Sukarnoputi, die Siegerin der ersten demokratischen Parlamentswahlen vom Juni, ihr stärkster Konkurrent, der nach schweren Korruptionsskandalen und der Ost-Timor-Krise schwer angeschlagene Amtsinhaber Jussuf Habibie oder gar der unberechenbare Moslempolitiker Abdurrahman Wahid?

Megawati, die Tochter des indonesischen Staatsgründers Sukarno, gilt als die schillerndste Oppositionsfigur. Im Ost-Timor-Konflikt meldete sich die Kandidatin jedoch kaum zu Wort. Wenn, dann setzte sie auf die nationalistische Karte wie ihr Vater und bekannte, dass Ost-Timor ein natürlicher Teil Indonesiens sei. Trotz ihrer rhetorischen Ausstrahlung und der enormen Hoffnungen, die auf sie projiziert werden, glauben viele nicht, dass sie weitreichende Reformen wird durchsetzen können. Sie wurde 1993 zur Vorsitzenden der "Demokratische Partei Indonesiens-Kampf" (PDI) gewählt, da sie von der Aura als Sukarnos Tochter profitierte. Beobachter werten ihren kürzlichen Wahlerfolg nicht als Ausdruck politischer Führungsstärke, sondern als Resultat ihres bereits existierenden politischen Netzwerkes. Die PDI war die einzige Oppositionspartei, die bereits unter Suharto gegründet wurde und Organisationsstrukturen aufbauen konnte. Auch wenn sie fast 40 Prozent der Stimmen bei der Parlamentswahl im vergangenen Juni gewann, ist ihre Präsidentschaft keinesfalls sicher.

Keine der Parteien hat genug Abgeordnete, um alleine regieren zu können, da weder Megawatis PDI noch Habibies "Golkar-Partei" über eine Mehrheit der Stimmen in der Volksversammlung verfügen. Das indonesische Wahlrecht legt fest, dass der Präsident nicht direkt vom Volk gewählt wird, sondern von einer siebenhundertköpfigen Vollversammlung, in der neben den Parlamentsabgeordneten auch andere gesellschaftliche Gruppen vertreten sind. Um gewählt zu werden, muss sie Koalitionen bilden.

Um einen nationalen Konflikt zu vermeiden, der aus dem Rennen zwischen PDI und "Golkar" entstehen könnte, wäre Abdurrahman Wahid ein Ausgleichskandidat, da es gegen ihn weniger Widerstand gibt als gegen Megawati oder Habibie. Wahid ist Vorsitzender der 30 Millionen Mitglieder starken Moslemorganisation Nahdatul Ulama und kann vor allem auf den islamisch dominierten und bevölkerungsreichsten Inseln Java und Sumatra auf Unterstützung bauen.

Präsident Habibie scheint inzwischen schlechte Karten zu haben. Seine "Golkar-Partei" steht nicht mehr geschlossen hinter ihm. Gern möchte er sich als Reformer präsentieren, und in der Tat hat er in seiner kurzen Amtszeit einige erstaunliche Veränderungen in Gang gesetzt. Er erlaubte ein bisher nicht gekanntes Ausmaß an politischer Freiheit, und der Präsident wird zum ersten Mal in geheimer Abstimmung unter mehreren Konkurrenten gewählt. Unter Suharto diente die Volksversammlung nur als demokratisches Feigenblatt der Diktatur. Habibie erkannte außerdem Ost-Timors Recht auf Unabhängigkeit an, auch wenn seine Regierung bei der Umsetzung versagt hat. Zwei der wichtigsten Reformen hat Habibie jedoch versäumt: Suharto für Korruption und Vetternwirtschaft vor Gericht zu bringen, ebenso Militärangehörige, die an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren. Nun ist er noch in einen Bankenskandal verwickelt. In den Augen vieler hat er damit das moralische Recht verwirkt, weiter Präsident zu sein. Dennoch ist wahrscheinlich, dass seine Partei ihn für eine zweite Amtszeit nominieren wird - zusammen mit Armeechef General Wiranto, der jedoch nicht Vizepräsident werden will.

Michael Streck

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