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Dresdner Mordprozess: Gedenkkonzerte in Ägypten abgesagt

Seit Tagen sorgen zwei in Ägypten geplante Konzerte der Dresdner Staatskapelle für Aufregung. Sie sollten Marwa el-Sherbini, der im Dresdner Landgericht erstochenen ägyptischen Frau gedenken. Doch jetzt wurden sie zunächst einmal abgesagt.

Sie ist als deutsche Geste der Anteilnahme gemeint – doch in Ägypten sorgt sie seit Tagen für Aufregung und Verwirrung. Zwei Konzerte wollte die Dresdner Staatskapelle am kommenden Samstag in Alexandria und am 2. November in Kairo zum Gedenken an Marwa el-Sherbini geben. Jetzt wurden sie von den Musikern nach tagelangem Hin und Her zunächst einmal abgesagt – „auf Wunsch der ägyptischen Seite“, wie Orchestersprecher Matthias Claudi unserer Zeitung bestätigte. Offenbar fürchtet die Regierung in Kairo unschöne, vielleicht auch gewalttätige Zwischenfälle und will kein Risiko eingehen. „Konzerte von einem deutschen Orchester in dieser Situation könnten die Ägypter auf der Straße nur noch mehr irritieren“, ließ der ägyptische Kulturministers Farouk Hosni seinen Sprecher zur Begründung erklären.

Am Sonntag jedoch meldete die Zeitung Almasry Alyoum, der Minister habe sich nach einem Telefongespräch mit den Verantwortlichen in Dresden umstimmen lassen. Das Orchester habe darauf bestanden, nach Alexandria zu kommen, um der Familie el-Sherbini ihr Mitgefühl auszudrücken. Die Musiker wollten zu Beginn des Konzertes, bei dem Kompositionen von Beethoven, Mendelssohn Bartholdy und Tschaikowsky gespielt werden, eine Schweigeminute halten und so ihre Solidarität mit dem ägyptischen Volk ausdrücken, schrieb das Blatt. Als Solist soll der junge ägyptische Pianist Ahmed Abouzahra auftreten, der mit seiner ungarischen Frau seit Jahren in Deutschland lebt. „Persönliche Verletzungen und Beziehungen zwischen Nationen sind zwei unterschiedliche Ebenen“, erläuterte Hosni nach Angaben von Almasry Alyoum seinen Meinungsumschwung – von dem die Verantwortlichen in Dresden jedoch bislang offiziell nichts wissen.

Zuvor hatte der Bruder der Getöteten, Tarik el-Sherbini, gegenüber unserer Zeitung erklärt, seine Familie lehne dieses Konzert ab und habe einen entsprechenden Brief an den Kultusminister und den Außenminister geschrieben. Niemand von Seiten der Veranstalter habe die Familie im Vorhinein gefragt oder informiert, kritisierte er. Musik sei zwar die Sprache aller Nationen, „aber es ist nicht das richtige Signal, ein solches Konzert zu veranstalten, während gleichzeitig der Prozess gegen den Täter läuft“. Tarik al-Sherbini, der zusammen mit dem Ehemann der Getöteten während der gesamten Prozessdauer in Dresden sein wird, kündigte an, weder seine Eltern noch andere Verwandte würden an dem Konzert teilnehmen.

Der Konflikt um die Dresdner Staatskapelle zeigt die nervöse Anspannung, mit der die ägyptische Öffentlichkeit das Strafverfahren in Dresden verfolgt. Egal ob auf Facebook, bei Freitagspredigten oder in Zeitungskommentaren, überall steht der Mordfall an der 31-jährigen muslimischen Frau im Zentrum der Aufmerksamkeit. Im Juli bei der Beerdigung der „Märtyrerin des Kopftuches“, wie sie inzwischen in der arabischen Welt genannt wird, war es vereinzelt zu antideutschen Rufen gekommen. „Deutsche sind die Feinde Gottes“, skandierten einige. Andere riefen „Ihr hinterhältigen Deutschen, Marwas Blut ist nicht billig“. Wieder andere forderten, der Täter müsse mit dem Tode bestraft werden. Einen Tag danach versammelten sich Demonstranten auch vor der deutschen Botschaft in Kairo. In der ägyptischen Öffentlichkeit wird der gewaltsame Tod von Marwa el-Sherbini in erster Linie wahrgenommen als ein Indiz für wachsende Islamfeindlichkeit in Deutschland. So habe es mehrere Tage gedauert, bis die deutschen Medien den Fall überhaupt größer aufgegriffen und als rassistisch motivierte Tat eingestuft hätten. Der bekannte ägyptische Schriftsteller Alaa Al-Aswany, Autor des Buches „Der Jakoubijan-Bau“, kritisierte, dass Angela Merkel nicht sofort der Familie el-Sherbini gegenüber ihr Mitgefühl ausgedrückt habe. „Sie denkt wahrscheinlich, wenn sich eine deutsche Kanzlerin bei einer arabisch-muslimischen Familie entschuldigen soll, das ist zuviel verlangt“, sagte er. Dagegen nannte der Großmufti von Ägypten, Scheich Mohammed Tantawi, den Mord „einen Einzelfall“ und äußerte die Hoffnung, die Tat werde den Dialog zwischen dem Westen und dem Islam nicht negativ beeinflussen.

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