zum Hauptinhalt

Politik: Ehe kommt teuer

Unverheiratete können ihre Kinder immer beitragsfrei krankenversichern, Verheiratete nicht – ein verfassungswidriger Nachteil?

Von Ursula Knapp,

Karlsruhe

Es ist eine der wenigen Regelungen, die nicht verheiratete Paare gegenüber Eheleuten bevorzugt: Der Ausschluss der Kinder von gut verdienenden Privatversicherten aus der beitragsfreien Familienversicherung der Krankenkassen beschäftigte am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Eine betroffene Familie beanstandet die Ungleichbehandlung gegenüber Ledigen. Denn für ledige Eltern gilt der Ausschluss aus der kostenfreien Familienversicherung nicht, wenn ein Elternteil privat versichert ist. Das Urteil wird in etwa drei Monaten erwartet.

Wer in Deutschland in einer gesetzlichen Krankenversicherung Pflichtmitglied ist, kann seine minderjährigen Kinder beitragsfrei mitversichern. Auch der erwerbslose Ehepartner ist ohne eigene Beiträge mitversichert. Etwa 160 000 Kinder sind jedoch gegenwärtig in Deutschland von der beitragsfreien Familienversicherung in gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen, obwohl ein Elternteil Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist. Grund ist, dass in diesen Fällen ein Elternteil privat krankenversichert ist und dessen Monatseinkommen mehr als 3375 Euro beträgt. Damit sollte unter anderem ausgeschlossen werden, dass ein Elternteil mit einer geringfügigen Beschäftigung alle Kinder beitragsfrei mitversichert, während der gut verdienende Elternteil mit seiner Privatversicherung das Solidarsystem unterläuft.

Bei der von der gesetzlichen Regelung betroffenen Familie aus dem Raum Augsburg ist der Vater als Beamter privat versichert und verdient mehr als 3375 Euro monatlich. Obwohl seine berufstätige Ehefrau Pflichtversicherte bei der Barmer ist, lehnte die Ersatzkasse die beitragsfreie Mitversicherung des Sohnes ab. Darin sehen die Eltern eine verfassungswidrige Diskriminierung gegenüber nicht ehelichen Lebensgemeinschaften. Denn etwa 7000 solcher Gemeinschaften in Deutschland würden ihre Kinder beitragsfrei versichern, obwohl auch hier ein Elternteil besser verdienender Privatversicherter sei. Die Klage der Eltern war bis hin zum Bundessozialgericht erfolglos geblieben. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wollen sie nun eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften erreichen.

Die Vertreter der Bundesregierung und der Krankenkassen verteidigten am Mittwoch die Regelung. Die unterschiedliche Behandlung von Ehen und nicht ehelichen Lebensgemeinschaften sei angesichts der geringen Zahl der Begünstigten nicht zu beanstanden. Da es weiterhin gewichtige Nachteile für unverheiratete Paare gebe, sei die Differenzierung auch gerechtfertigt. So könnten erwerbslose unverheiratete Partner nie beitragsfrei mitversichert werden.

Insgesamt umfasst die Familienversicherung gut 21 Millionen Menschen, davon 14,6 Millionen Kinder. Die Leistungen summieren sich auf 15 Milliarden Euro pro Jahr. Die Vertreter der gesetzlichen wie auch der privaten Kassen meinten, der Ausschluss könnte kaum auf nichteheliche Lebensgemeinschaften ausgeweitet werden, da diese verwaltungstechnisch schwer festzustellen seien. Zudem könne der Gesetzgeber nicht auf jeden Einzelfall Rücksicht nehmen, sondern müsse notwendigerweise „Typisierungen“ für bestimmte Fallgruppen treffen. (Aktenzeichen: 1 BvR 624/01)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false