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Politik: Eichel wehrt sich gegen EU-Sanktionen

Finanzminister: Der Stabilitätspakt ist kein Strafgesetzbuch / Kommission verteidigt härtere Gangart

Berlin . Nur wenige Tage bevor die EU-Kommission über härtere Auflagen für Deutschland beraten will, ist Bundesfinanzminister Hans Eichel erneut in die Offensive gegangen. In einem Namensartikel, der unter anderem in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ am Samstag erschien, wendet er sich gegen eine rigide Auslegung des Stabilitätspakts für die Euro-Länder. „Der Pakt ist kein Strafgesetzbuch, sondern ein flexibler ökonomischer Handlungsrahmen“, schreibt Eichel. Er verweist darauf, dass Deutschland in diesem Jahr allen Empfehlungen des EU-Finanzministerrates gefolgt sei, um das hohe Haushaltsdefizit abzubauen. „Für mich ist es daher inakzeptabel, wenn Staaten, die die im Rat verabredeten Maßnahmen einhalten, zusätzlichen Verfahren und Sanktionierungen unterworfen würden.“

Deutschland wird – aller Voraussicht nach – auch im kommenden Jahr ein höheres Defizit der öffentlichen Haushalte verzeichnen als die drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), die im Stabilitätspakt der Euro-Teilnehmerländer festgelegt sind. In der kommenden Woche soll in der Kommission daher über Maßnahmen gesprochen werden, durch die Deutschland das Defizit stärker als bisher geplant absenken kann. Aus informierten Kreisen war am Freitag außerdem bekannt geworden, dass die Kommission eine Absenkung des Defizits um 0,8 Prozentpunkte verlangen wird, während Eichel auf Grund der vorgezogenen Steuerreform im kommenden Jahr nur eine Verringerung von 0,6 Prozent für möglich hält.

Eichel wendet sich gegen weitere Zwangsmaßnahmen: „Dies Art von Pädagogik hat keine Logik und widerspricht dem Geist des Paktes“, schreibt er. Er verweist außerdem darauf, dass der EU-Rat in seiner Empfehlung an Deutschland vom Januar 2003 noch „ausdrücklich festgehalten“ habe, „dass Deutschland bei schwächer als erwartet ausfallendem Wachstum keine zusätzlichen Maßnahmen ergreifen sollte“. Und Wachstum sei genau das, was Deutschland fehle.

Viel Verständnis bringt man Eichels Position in Brüssel allerdings nicht entgegen. Schon in den vergangenen Monaten hatte die Kommission zwar den Reformkurs der Bundesregierung mehrfach gelobt, aber zusätzliche Sparanstrengungen angemahnt. Ein Kommissionssprecher sagte dem Tagesspiegel zwar diplomatisch: „Die Kommission – als Wächter des Vertrags – hat die Verpflichtung, den Pakt in einer möglichst flexiblen und ökonomisch sinnvollen Art und Weise anzuwenden.“ Weiter wollte er sich zu der Angelegenheit noch nicht äußern. Deutlichere Worte fand aber EU-Kommissionspräsident Romano Prodi. In einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ sagte er, der Stabilitätspakt sei „fit für die Zukunft“. Vor einem Jahr hatte er ihn noch als „dumm“ bezeichnet und dafür viel Kritik geerntet. Der Vertrag werde jedoch heute „viel intelligenter ausgelegt als vor einem Jahr“, sagte Prodi. Er verteidigte mögliche Sanktionen gegen Deutschland. „Ein Regelwerk ohne Sanktionen existiert im Paradies, aber nicht in Brüssel.“

Eichel drängt aber noch einmal auf eine individuelle Sichtweise. Der Pakt sehe „ganz bewusst eine Berücksichtigung der jeweiligen Lage und der Politik des Landes vor“, schreibt er. Es werde dem Pakt nicht gerecht „und ihn letztlich schwächen, wenn er ohne jegliche Einpassung in die konjunkturelle Lage als ein rein mechanistisches Verfahren interpretiert und exekutiert würde“. Wer also die Diskussion im EU-Finanzministerrat als „Aufweichungsdiskussion“ bezeichne, so argumentiert Eichel, könne den Vertrag nicht gelesen haben.

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