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Politik: Eichel will sparen, Merkel Opposition machen - und wofür steht der Kanzler? (Kommentar)

Ist er nicht sympathisch, unser Kanzler im Urlaub? Sommer, Sonne, gute Laune.

Ist er nicht sympathisch, unser Kanzler im Urlaub? Sommer, Sonne, gute Laune. Die Familie Schröder-Köpf geht in die Trattoria, der Besitzer ist freundlich, seine Tochter fröhlich. Man versteht sich gut, irgendwie. Das war letztes Jahr. Dann kommt die italienische Familie dieser Tage nach Berlin - und ganz durch Zufall gelangt die Geschichte vom menschenfreundlichen Kanzler in die auflagenstärkste Zeitung Deutschlands. Mit anrührenden Details. Auch die passenden Fotos gibt es dazu. Ja, unser Gerhard Schröder: So wird man wieder populär. Oder?

Vor allem wird jetzt wieder mit allen Kniffen gearbeitet. Angela Merkel, die neue CDU-Vorsitzende, eine hochachtbare Frau, wie Schröder schon vorsichtshalber sagt, ist ja doch nicht so ungefährlich. Weniger wegen der Inhalte: die kommen später, Details werden nachgereicht, da nimmt sich Merkel Zeit. Aber muss eine Opposition überhaupt die besseren Konzepte vorweisen? Der letzte, der diese Meinung mit Vehemenz vertrat, war Hans-Jochen Vogel als SPD-Oppositionsführer. Er wurde nicht Kanzler.

Das Prinzip Schröder ist anders. Hochtrabend ausgedrückt: Wer die Begriffe besetzt, besetzt die Macht. Nicht die Taten bewegen die Menschen, sondern die Worte über die Taten. Der das gerne sagte, war Heiner Geißler als CDU-Generalsekretär. Mit dieser Erkenntnis kam damals die CDU in die Regierung. Und 1998 die SPD, nur nicht ganz so philosophisch aufgeladen.

Nun ist der Medienmensch Schröder Kanzler, und nun zählen doch auch die Taten. Merkel hat gut warten: Steuern, Green Card, Atomausstieg, außerdem die Themen, die die letzten Wahlen entschieden, Rente und Gesundheit, besonders die - die Regierung muss regieren. Im Sektor Gesundheit mit seinen 4,2 Millionen Beschäftigten (und nicht nur 40 000 wie in der Atomindustrie) werden pro Jahr rund 500 Milliarden Mark bewegt, mehr als der gesamte Bundeshaushalt umfasst. Hier kann jede vermeintliche Kleinigkeit wahlbestimmend werden. Die gesamte Themenliste der Bundesregierung: keine Positivliste. Die Inder wollen auch nicht kommen.

Deshalb es kein Zufall, dass jetzt die Popularisierung Schröders wieder beginnen soll. Kein Zufall, dass Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye in die Diskussion geriet und über einen Helfer in Medien- und PR-Fragen nachgedacht wurde: Klaus-Peter Schmidt-Deguelle. Der half schon, den anfangs als dröge empfundenen Finanzminister Hans Eichel so zu verkaufen, dass es ordentlich menschelte. Ist Eichel nicht doch sympathisch? Dasselbe passiert inzwischen mit Walter Riester. Beim Kanzler darf Schmidt-Deguelle nach all dem Gerede nun aber nicht mehr ran. Das wäre doch zu auffällig: bloß nicht zuviel Respekt vor Merkel zeigen.

Der Fall Eichel zeigt allerdings exemplarisch, worauf es ankommt: Ein Populist ist vielleicht populär, aber auf Dauer überzeugt er nicht. Ohne Inhalte, ohne Botschaft bleibt kein Minister und kein Kanzler lange in den Nachrichten. Eichel sagt immer wieder, warum kein Weg am Sparen vorbei führt. Das ist unpopulär - und trotzdem sieht es mittlerweile fast jeder ein. Deshalb ist Eichel wider Erwarten beliebt. Einen Inhalt von ähnlicher Klarheit, ein fassbares Ziel von ähnlicher Bedeutung hat Gerhard Schröder bisher für sich nicht gefunden. Aber Freunde in Italien.

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