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Politik: Eichels Trümmerhaufen

Der Finanzwissenschaftler Rolf Peffekoven über den Etatentwurf

POSITION

ROLF PEFFEKOVEN (64) ist Direktor des Instituts

für Finanzwissenschaft

der Universität Mainz. Von 1991 bis 2001

war er einer

der Wirtschaftsweisen.

Foto: dpa

In einer viel beachteten Rede an der HumboldtUniversität Berlin hat der Bundesminister der Finanzen im Jahre 2000 ein Programm „Finanzpolitik für das nächste Jahrzehnt“ entworfen. Die Kernaussage: Durch eine Rückführung der hohen Staatsquote (über eine Ausgabenbegrenzung) wird Spielraum für Steuersenkungen und eine Rückführung der Neuverschuldung entstehen.

Das war die „Finanzpolitik mit Leitplanken“, mit der die Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung in Deutschland geschaffen werden sollten. Es ist offenkundig, dass dieses Konzept aufgegeben worden ist. Schon das inzwischen gescheiterte Steuervergünstigungsabbaugesetz sah deutliche Steuererhöhungen vor. In einem Nachtragshaushalt vom Dezember 2003 musste zudem die ursprünglich geplante Kreditaufnahme in Höhe von 18 Milliarden Euro auf immerhin 35 Milliarden Euro angehoben werden. Schon das hat die Glaubwürdigkeit der Finanzpolitik und insbesondere die des Bundesfinanzministers schwer beschädigt.

In der Rede an der Humboldt-Universität war insbesondere Steuersenkungen, die zu zusätzlicher Verschuldung führen, eine klare Absage erteilt worden: „Steuersenkungen, mit denen wir in neue Staatsschulden ausweichen, sind ein Betrug an den Steuerzahlern, denn sie bedeuten nur, dass wir die Steuererhöhungen der Zukunft vorbereiten, wenn wir die Steuersenkungen heute mit Schulden finanzieren“. Wie wahr!

Die Debatte um das Vorziehen der dritten Entlastungsstufe der Steuerreform macht deutlich, dass viele in der Regierungskoalition den Eichel’schen Grundsatz „Steuersenkungen auf Pump darf es und wird es nicht geben“ längst aufgegeben haben. So sinniert der SPD-Fraktionsvorsitzende Müntefering: „Wenn wir die Steuerreform vorziehen, müssen wir sie ohne Ausgleich machen. Sie muss dann in die Taschen der Menschen kommen, das heißt, man muss dann auch bereit sein, für das eine Jahr sich zu verschulden“. Würde der Bundesfinanzminister dem folgen, dann wäre das ein deutlicher Bruch mit seiner bisherigen Konzeption, was ohne weiteren Gesichtsverlust nicht durchzustehen wäre und wohl politische Konsequenzen nach sich ziehen müsste.

Dabei sind Münteferings Ausführungen, die auch vom SPD-Generalsekretär Scholz vertreten werden, in einem Punkt sogar falsch: Zusätzliche Verschuldung für „nur“ ein Jahr würde es lediglich dann geben, wenn die für das Jahr 2005 bereits beschlossene Entlastung seriös, das heißt – auch in der Eichel’schen Vorstellung – durch Ausgabenkürzungen finanziert wäre. Das trifft aber nicht zu. Die Bundesregierung hat bei der Finanzierung der Nettoentlastung der Steuerreform 2000 darauf vertraut, dass ein „Selbstfinanzierungseffekt“ eintritt: Steuersenkungen sollten zu mehr Wachstum und Beschäftigung und damit auch wieder zu steigenden Steuereinnahmen führen. Dieser Effekt ist bisher nicht eingetreten.

Würde die Steuersenkung also – wie ursprünglich beschlossen – erst im Jahre 2005 durchgeführt, dann würde die gleiche Diskussion zu führen sein wie derzeit: Wie kann eine Steuerentlastung in Höhe von 18 Milliarden Euro finanziert werden? Weicht man in die Verschuldung aus, dann würde die Kreditaufnahme für mehrere Jahre weiter steigen. Wer jetzt für ein Vorziehen der dritten Entlastungsstufe plädiert, fordert im Grunde eine über die Beachtung der automatischen Stabilisatoren (konjunkturell bedingte Steuermindereinnahmen und Mehrausgaben) hinausgehende aktive Konjunkturpolitik über den Staatshaushalt.

Einer solchen Politik hat Eichel in der zitierten Rede eine klare Absage erteilt. Der Staat müsse in „Zukunft auf Feinsteuerung der Konjunktur durch die Haushaltspolitik verzichten“. Genau das Gegenteil wird nun aber von der Bundesregierung geplant. Der Bundesminister der Finanzen steht vor den Trümmern seiner finanzpolitischen Agenda, mit der er im Jahre 2000 zweifellos und zu Recht Glaubwürdigkeit und Vertrauen gewonnen hatte.

Professor Dr. Rolf Peffekoven ist Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

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