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Politik: Ein Außenseiter gefährdet den Sitz für ODS-Chef Vaclav Klaus

Einen Sieger bei der Senats-Nachwahl von Prag-Mitte am heutigen Freitag und am Samstag gibt es jetzt schon mit Sicherheit: den Verdruss. Schon als die zweite Kammer des tschechischen Parlaments 1996 geschaffen wurde, gaben die tschechischen Bürger mit einer Wahlbeteiligung von lediglich 30 Prozent deutlich zu verstehen, was sie von dieser Institution halten.

Einen Sieger bei der Senats-Nachwahl von Prag-Mitte am heutigen Freitag und am Samstag gibt es jetzt schon mit Sicherheit: den Verdruss. Schon als die zweite Kammer des tschechischen Parlaments 1996 geschaffen wurde, gaben die tschechischen Bürger mit einer Wahlbeteiligung von lediglich 30 Prozent deutlich zu verstehen, was sie von dieser Institution halten. Diesmal allerdings könnte sich der Wählerverdruss auch darin widerspiegeln, dass ein unabhängiger Kandidat und keine der altbewährten Parteien das Rennen machen wird. Und dies könnte der Nachwahl eine große Bedeutung verleihen: Es geht nämlich um den möglichen Verlust der verfassunggebenden Senatsmehrheit der zwei größten Parteien - der Bürgerlichen Demokraten (ODS) und der Sozialdemokraten (CSSD), die auf diesem Wege den Einfluss kleinerer Parteien beschneiden wollen.

Allein aus diesem Grunde wird ein Bewerber um den durch den Tod des ODS-Senators Vaclav Benda frei gewordenen Sitz für die professionellen Politiker zum Albtraum: der ehemalige Emigrant Vaclav Fischer. Das gilt insbesondere für den Parlamentsvorsitzenden und ODS-Chef Vaclav Klaus, denn Prag-Mitte war sonst immer eine treue Bastion seiner Partei. Der verstorbene Benda gehörte zum engsten Mitarbeiterkreis von Klaus und gilt als Architekt des umstrittenen "Oppositionsvertrags", mit dem die ODS seit der Parlamentswahl im letzten Jahr die Minderheitsregierung der Sozialdemokraten stillschweigend an der Macht hält. Gerade gegen diesen Vertrag aber, den viele Tschechen für die lähmende Stagnation des Landes verantwortlich machen, konzentrierte Fischer seine Kampagne - mit Erfolg. Der Selfmademan und Millionär, der sein überaus erfolgreiches Touristik-Unternehmen in Deutschland verkauft hatte und mit seiner Prager Firma Fischer-Reisen nun seinen Landsleuten die Urlaubsträume erfüllt, gibt unumwunden zu, ein enttäuschter ODS-Wähler zu sein. Er wolle nun selbst versuche, eine "neue politische Kraft der demokratischen Mitte" ins Leben zu rufen.

Diese politischen Koordinaten glauben jedoch einige Parteien bereits besetzt zu haben. Allen voran eine Koalition von vier kleineren Parteien, die den früheren Präsidial-Kanzler Ivan Medek für die Nachwahl in Prag-Mitte ins Rennen schickt. Diesen verband mit seinem Vorgänger Benda wiederum die bislang erfolglose Bemühung, in der tschechischen Gesellschaft das Interesse an der Bewältigung der kommunistischen Vergangenheit zu wecken. Die Aussenwelt registrierte das Duo Benda-Medek im vorigen Herbst im Zusammenhang mit den Spionage-Vorwürfen gegen den früheren Oberbürgermeister von Wien, Helmut Zilk, die sich als haltlos erwiesen.

Laut Meinungsumfragen muss Fischer von allen seinen Mitbewerbern lediglich die ODS-Kandidatin und populäre Schauspielerin Jirina Jiraskova fürchten. Allerdings sorgte ihr Auftraggeber (und einstige Symbolfigur des tschechischen Übergangs zur Marktwirtschaft) Klaus in der Wahlkampagne für Töne, die mit ihrem damenhaften Erscheinungsbild kaum zu vereinbaren sind. In einem Wählerbrief sprach der ODS-Chef von "ungeahnten Millionen", die Fischer in seine Kampagne hineinstecke und fügte hinzu, dieser glaube offenbar, dass, "weil in den Senat von Rom einst auch Pferde gewählt werden konnten, bei uns auch ein Reisebüro dabei durchkommt". Bei einer Wahlschlappe würden sich die Teilnehmer des Oppositionsvertrags mit dem Verlust ihrer bisherigen Verfassungsmehrheit im Senat abfinden müssen. Ihre Pläne, das Wahlsystem so zu ändern, dass sie künftig die meisten Sitze im Parlament praktisch untereinander verteilen könnten, dürften allerdings auch dann nicht gänzlich durchkreuzt werden. Die Funktion des "Züngleins an der Waage", die Vaclav Fischer besetzen will, würde in diesem Falle liebend gerne auch einer der vier kommunistischen Senatoren ausüben wollen, die auch sonst Morgenluft wittern. In der Wählergunst links von der Mitte führen derzeit nämlich nicht mehr die regierenden Sozialdemokraten, sondern die Kommunisten. Auch diese Blüte hatte der Wählerverdruss bereits hervorgebracht.

Ludmila Rakusan

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