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Politik: Ein bisschen Freundschaft

Blair und Chirac treffen sich zum Versöhnungsgipfel – doch der Bruch wegen des Irak-Kriegs hat Spuren hinterlassen

Ganz vollkommen war die Harmoniedemonstration nicht, mit der Frankreich und Großbritannien am Montag in London eine Periode eher eisiger Beziehungen beendeten. 19 Minister demonstrierten beim jährlichen Arbeitsgipfel die enge Zusammenarbeit der beiden Länder. Man gelobte, der hundertjährigen Entente Cordiale im nächsten Jahr mit einer „spektakulären Feier“ zu gedenken, die Königin und Premier Blair wurden zum 60. Jahrestag der Alliiertenlandung in der Normandie eingeladen.

Aber in den entscheidenden Fragen – dem Irak-Zeitplan und der europäischen Verteidigung – bleiben Differenzen zwischen Paris und London weiter erkennbar. Präsident Chirac verkniff sich in der Irakfrage rechthaberische Rügen, kritisierte aber den neuen amerikanisch-britischen Zeitplan für die Regierungsübergabe als „zu langsam“ und „unvollkommen“. Bei der Verteidigungspolitik einigte man sich auf die Notwendigkeit einer schnellen europäischen Eingreiftruppe von 1500 Mann, die in „autonomen“ Operationen innerhalb von 15 Tagen einsetzbar sein müsse. Doch der aktuelle Streit um das Hauptquartier der europäischen Verteidigungstruppe bleibt ohne Lösung.

„Niemand in Europa will die europäische Verteidigung auf Kosten der Nato entwickeln“, versicherte Chirac. Blair sprach von der „praktischen Umsetzung“ des Verteidigungsprojekts und davon, dass es nicht im Konflikt mit der Nato stehen dürfe. Beide gaben sich überzeugt, dass eine Lösung gefunden wird.

Blair ging damit nicht über die beim Berliner Dreiergipfel gemachten Zugeständnisse hinaus. Damals signalisierte er mit britischer Pragmatik, dass man sich über Symbole wie das Hauptquartier nicht endlos streiten wird – solange sie Symbole bleiben. Die Briten wollen aber sicherstellen, dass die neuen Kapazitäten „nicht zur bevorzugten Wahl an Stelle der Nato“ werden. Die Garantien dafür wollen sie bei den Verhandlungen über die EU-Verfassung einholen. Für die Briten ist die europäische Verteidigung eine Lösung, wenn Nato-Einsätze nicht in Frage kommen. Für den französischen Präsidenten ist sie sehr viel mehr.

Auf dem nächsten EU-Gipfel im Dezember wollen die Staats- und Regierungschefs die neue Sicherheitspolitik der EU festlegen. Dabei geht die EU – wie das Düsseldorfer „Handelsblatt“ berichtet – auf die USA und die Nato zu, setzt sich jedoch deutlich von der US-Doktrin des Präventivkriegs ab. Das gehe aus dem Entwurf der neuen Sicherheitsstrategie hervor, die der EU-Außenbeauftragte Javier Solana erarbeitet hat.

Großbritannien und Frankreich wollen ihre Zusammenarbeit nach dem Bruch wegen des Irak wieder auf eine praktikable Grundlage stellen. Aber das alte Vertrauen ist wohl nicht mehr da. „Was uns verbindet ist wichtiger, als was uns trennt“, war das diplomatische Motto für den Gipfel. Für Blair war nach der amerikanischen Woche mit dem Besuch von Präsident Bush nun „Europe Day“ – und eine Gelegenheit, einmal mehr das außenpolitische Credo zu wiederholen: „Wir halten nichts von der ideologischen Auffassung, man müsse zwischen der einen oder der anderen Seite wählen.“ Kaum war Chirac abgereist, empfing Blair am Abend den spanischen Ministerpräsident Jose Maria Aznar – zum Beweis, dass er noch andere Freunde in Europa hat.

Matthias Thibaut

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