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Politik: Ein Handschuh und eine blaue Krawatte

Bei einem Attentat auf die australische Botschaft in Jakarta werden neun Menschen getötet

Der Knall ist kurz und dumpf, dann wackelt der Schreibtisch. Die Druckwelle wischt über das Haus, eine gute Sekunde lang. Fensterscheiben zittern, in einer kleinen Holzablage klackern Bleistifte, dann ist es still. In Jakarta glauben alle sofort an eine Bombe. Zwei Kilometer sind es bis zur Rasuna-Sahid-Straße. Die mächtige Allee hat zehn Fahrspuren, am Rand reihen sich Bürotürme, Restaurants, ein Fünf-Sterne-Hotel und 14 Botschaften aneinander. Tausende laufen weg. Manche gehen mit ernsten Mienen, andere joggen mit Angst in den Augen. Zwei Frauen umarmen sich im Gehen, die eine weint, die andere versucht, sie zu beruhigen.

„Wo?“, fragt ein Mann einen Polizisten mit Funkgerät. „Australische Botschaft“, sagt der Beamte und nickt mit dem Kopf in die Richtung, aus der Rauch kommt. Schon 500 Meter vor dem Tatort liegen Glassplitter, später knirscht es immer öfter unter den Schuhen. Die Fassaden der Hochhäuser sind zerfetzt. Vor der australischen Botschaft haben die Bäume keine Blätter mehr. Auf der Straße liegen unter Plastikplanen Leichen. Neun Menschen sind tot, 173 Personen werden verletzt. Sirenen heulen, über Megafone geben Polizisten Anweisungen, Verletzte mit blutiger Kleidung irren zwischen Mopedwracks umher. Kurz vor dem Zaun der australischen Botschaft sprudelt Wasser aus dem Boden.

Auf die Rasuna-Sahid-Straße kracht plötzlich ein großes Metallstück, Teil einer Hochhausverkleidung. Niemand wird getroffen. Zwei australische Diplomaten kommen aus der Botschaft, eine Frau und ein Mann, beide haben Kratzer im Gesicht. „Ich hatte Sprachunterricht, als der Sprengsatz hochging“, sagt der Mann, „ich wurde mit Glassplittern und Metallstücken des Fensterrahmens überschüttet. Zum Glück ist mir nichts Schlimmes passiert“.

Der australische Außenminister, Alexander Downer, spricht von einem „eindeutigen Terrorangriff“ auf sein Land. Er reist noch am Nachmittag nach Jakarta. Er sagt: „Der Verdacht richtet sich natürlich gegen Jemaah Islamijah.“ Dieser Terrororganisation werden auch die Anschläge auf Bali vor zwei Jahren zugeschrieben, bei denen mehr als 200 Menschen starben. Es ist brenzlig für seine Regierung. Am 10. Oktober wird gewählt. Und die konkurrierende Labour-Partei liegt in den Umfragen gleichauf.

Experten der Spurensicherung kommen mit Metallkoffern. Sie tragen schwarze Uniformen und weiße Plastikhandschuhe. Sie untersuchen, was auf dem Boden zwischen Laub und Abfall liegt – Schuhsohlen und Kleidungsfetzen, ein Handschuh und eine blaue Krawatte, die noch gebunden ist. „Eine Autobombe?“ – „Ja, wahrscheinlich. Die Botschaft war stark bewacht, und niemand kann eine so große Bombe auf einem Motorrad bringen.“ Am Tatort steht nur ein Autowrack, das des Polizeilastwagens, der hier zum Schutz immer stand. Aber in der Umgebung, selbst 100 Meter entfernt, liegen kleine, verbogene Blechteile, auch eine rostige Metallstange und ein Radlager, möglicherweise von einer Autoachse. 300 Meter von der Botschaft entfernt steht das MMC-Krankenhaus. An einer Seite fehlen in den ersten beiden Etagen alle Scheiben, die oberen Stockwerke sind unbeschädigt. Um 12.30 Uhr, zwei Stunden nach der Explosion, sind in der Notaufnahme keine Patienten mehr. Zwei Krankenschwestern wischen Blut vom Boden. Im Keller liegen auf weißen Kacheln drei Leichen.

„Kann mir das jemand erklären?“, fragt Edy, ein Taxifahrer, der in der Nähe der Botschaft auf Kundschaft wartete. „Warum machen diese Verrückten das?“ Mit einem Verband am Unterarm sitzt Edy auf einer Holzbank, der Blick ist leer, er spielt nervös mit seiner kaputten Brille.

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