zum Hauptinhalt
Luxemburg bei Geldwäsche auf Platz 1. Unter Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, heute EU-Kommissionspräsident, wurden internationalen Konzernen Steuervergünstigungen angeboten.

© Patrick Hertzog/AFP

Ein Jahr nach Luxleaks: Deutschland belegt bei Geldwäsche Platz zwei hinter Luxemburg

Viel getan hat sich nach der Luxleaks-Steueraffäre nicht bei den EU-Ländern, so das Ergebnis einer Analyse des Netwerks Eurodad.

Die Mehrheit der 15 untersuchten Länder hat laut Bericht des Europäischen Netzwerks für Schulden und Entwicklung (Eurodad) ein Jahr nach der Luxleaks-Affäre keine Gegenmaßnahmen zur Steuerhinterziehung und Steuervermeidung durchgeführt. Für multinationale Unternehmen und wohlhabende Individuen bestünden somit vielfältige Möglichkeiten, Gelder zu verbergen. "Deutschland und Luxemburg gehören zu den bedenklichsten Ländern. Sie bieten eine große Palette an Möglichkeiten, Steuerzahlungen zu entgehen", erklärte das Netzwerk, dem 48 NGOs angehören, darunter Oxfam und Christian Aid.

Geldwäsche kann Erträge aus Straftaten in scheinbar legale Gelder oder Vermögen umwandeln und wurde sogar schon mit internationalem Terrorismus in Verbindung gebracht. Die Luxleaks-Affäre brachte die Themen Steuervermeidung – technisch gesehen legal – und illegale Steuerhinterziehung wieder ins Zentrum der politischen Agenda. Am 5. November 2014 enthüllte ein Exposé des International Consortium of Investigative Journalists, dass Luxemburg unter Jean-Claude Juncker als Premier- und Finanzminister, jetzt EU-Kommissionspräsident, multinationalen Unternehmen massive Steuervergünstigungen angeboten hatte.

Viele EU-Länder treffen Absprachen mit Unternehmen

Der Bericht "50 Shades of Tax Dodging" verweist außerdem darauf, dass 22 der 28 EU-Mitgliedsstaaten Steuervorschriften nutzen, um Abmachungen mit Konzernen zu treffen. "Mit Rückstellungen für Steuersätze von unter einem Prozent sind solche Steuervorschriften ein Hauptinstrument zur Steuervermeidung geworden." Eurodad untersuchte lediglich eine Art von Steuerregelungen: Verrechnungspreiszusagen. Ende 2013 gab es 119 davon in Luxemburg, gefolgt vom Vereinigten Königreich auf dem zweiten Platz mit 73. In Deutschland waren es 21 – zwei mehr als im EU-Durchschnitt.

Im Oktober einigten sich die Mitgliedsstaaten auf den automatischen Informationsaustausch über ihre Steuerregelungen. Das entsprechende Abkommen wird im Januar 2017 in Kraft treten. Die Europäische Kommission hat bereits gegen mehrere Mitgliedsstaaten, darunter auch Luxemburg, Untersuchungen zur staatlichen Beihilfe im Hinblick auf deren Steuervereinbarungen mit Unternehmen eingeleitet.

Tove Ryding, Koordinator für Steuergerechtigkeit bei Eurodad, erklärte: "Die europäischen Bürger warten nun schon seit einem Jahr darauf, dass sich die EU zusammenrauft und ein System abschafft, dass es hunderten multinationaler Unternehmen ermöglicht, Steuerzahlungen zu vermeiden. Auch wenn die EU einige Schlupflöcher gestopft hat, so sind doch auch neue entstanden. Klar ist, dass es in der EU gang und gäbe für multinationale Unternehmen ist, Regeln zu umgehen und somit Steuern zu sparen."

Die Sprecherin für Steuerangelegenheiten der Europäischen Kommission, Vanessa Mock, sagte EurActiv: "Der Kampf gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung hat für die Kommission oberste Priorität. Seit Einführung des Pakets für Steuertransparenz im März und dem Inkrafttreten des Aktionsplans zur Unternehmensbesteuerung im Juni haben wir bereits konkrete Ergebnisse liefern können".

Verschleierung und Geldwäsche

Der Bericht kritisierte Luxemburg auch dafür, die Identifikation von Unternehmenseigentümern und Besitzern von Vermögenswerten durch neue Finanzstrukturen erschwert zu haben.

Auf einer Skala, basierend auf dem Anti-Geldwäsche-Index des Basel Institute of Governance, erhielt Luxemburg 5,9 von 10 Punkten. Deutschland liegt mit 5,5 Punkten über dem EU-weiten Durchschnitt von 4,4. Italien, Spanien, die Niederlande, Frankreich und das Vereinigte Königreich folgen in kurzem Abstand.

Die Geldwäsche-Richtlinie der EU reguliert Themen wie den öffentlichen Zugang zu Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von Unternehmen und Konzernen. Die vierte Überarbeitung des Gesetzes wird auf nationaler Ebene umgesetzt.

Vorbildlich war die Einführung öffentlicher Verzeichnisse von Unternehmenseigentümern in Dänemark und Slowenien. Frankreich und Italien lehnten diese Idee ab. Großbritannien plant ein solches Verzeichnis einzuführen – wenn auch mit einer Ausnahme für Konzerne.

Deutschland im Scheinwerferlicht

Deutschland sprach sich laut Bericht gegen die Einführung zentralisierter Verzeichnisse von Unternehmenseigentümern und gegen den öffentlichen Informationszugang aus. Die jüngsten Bankenskandale in Deutschland haben gezeigt, welche Rolle die Branche bei der Verschleierung der eigentlichen Unternehmenseigentümer und bei der Geldwäsche spielt. Im Februar 2015 fand eine Durchsuchung bei der Commerzbank, der zweitgrößten Bank Deutschlands, statt. Die Ermittlungen bezogen sich auf die Anschuldigungen, die Bank habe Kunden geholfen, über Luxemburg Steuerzahlungen zu vermeiden.

Derzeit werden Stichproben von mindestens drei weiteren Banken untersucht. Eine Bank einigte sich laut Berichten mit den deutschen Behörden auf eine Zahlung von 22 Millionen Euro. Man hatte ihr vorgeworfen, Briefkastenfirmen in Luxemburg eingerichtet zu haben, um Gelder geheim zu halten.

Im Juli 2015 zahlte die Hypovereinsbank 20 Millionen Euro Bußgeld. Außerdem versprach sie, den Steuerbehörden bei weiteren Ermittlungen bezüglich der Strukturen mehrerer Banken, darunter auch die Deutsche Bank, zu unterstützen. Banken sollen Steuerzahlern geholfen haben, Schlupflöcher auszunutzen, um zwei Steuerzahlbescheinigungen für nur eine tatsächliche Zahlung eines Aktiengeschäfts zu erhalten.

Übersetzt von Jule Zenker. Erschienen bei EurActiv.

Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

James Crisp

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false