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Politik: Ein neues Bild von der Familie Von Ursula Weidenfeld

Die Bundesregierung plant einen Komplettumbau der Familienpolitik. Sie verspricht ein Elterngeld von bis zu 1800 Euro im Monat, das vom Jahr 2007 an anstelle der bisherigen staatlichen Erziehungshilfen für Kleinkinder gezahlt werden soll.

Die Bundesregierung plant einen Komplettumbau der Familienpolitik. Sie verspricht ein Elterngeld von bis zu 1800 Euro im Monat, das vom Jahr 2007 an anstelle der bisherigen staatlichen Erziehungshilfen für Kleinkinder gezahlt werden soll. Mütter und Väter sollen gleich behandelt werden – deshalb wird das Elterngeld auf Grundlage des Familieneinkommens berechnet, deshalb bekommen Männer eine Extra-Einladung, ihren Teil der Verantwortung zu übernehmen. Zum ersten Mal werde der Versuch unternommen, eine Familienpolitik zu betreiben, die die Bedürfnisse armer, mittelarmer, mittelreicher und reicher Familien unter einen Hut bringt. Das klingt gut. Aber ist es auch richtig?

Die entscheidende Frage ist, ob sich junge Menschen künftig nicht nur eine Familie wünschen, sondern sich anders als heute auch für eine entscheiden. Die Erfahrungen anderer Länder mit dem Elterngeld sind nicht entmutigend, aber auch nicht überschäumend. Eine rasant steigende Geburtenkurve hat mit Elterngeld allein niemand zustande gebracht. Dazu braucht es schon ein bisschen mehr – eine auch am langen Ende gerechte Lastenteilung zwischen Eltern und Kinderlosen, attraktive Betreuungsmöglichkeiten, Arbeitgeber, die sich nicht nur bei anspruchsvollen Konferenzen zur Familienförderung bekennen, sondern es auch ernst meinen damit. Und vor allem: das Gefühl, dass es zu einem guten Leben gehört, Kinder zu haben und zu erziehen.

Die moderne staatliche Familienpolitik dagegen beschränkt sich im Wesentlichen auf drei Begründungen. Sie muss Kinder und ihre Eltern vor Not schützen und für einen Ausgleich zwischen einem Leben mit und einem Leben ohne Kinder sorgen. Sie will dafür sorgen, dass die Bevölkerung nicht weiter schrumpft. Und sie möchte erreichen, dass mehr Frauen arbeiten. Das erste Motiv ist ein soziales, das dem traditionellen Auftrag des Staates entspringt. Die beiden anderen Motive sind später hinzugekommen, weil Kindermangel und die unterdurchschnittliche Erwerbsbeteiligung der Frauen langfristig die wirtschaftliche Entwicklung und die Sozialsysteme gefährden.

Tatsache ist, dass die bisherigen Instrumente der Familienförderung ziemlich wirklungslos verpufft sind. Deshalb ist es richtig, andere Wege auszuprobieren. Die Überlegung, ein Elterngeld zu zahlen, das sich in seiner Zumessung am Familieneinkommen orientiert, reflektiert das. Denn bisher ist es so, dass vor allem junge Paare ihren Kinderwunsch verschieben, weil sie nicht auf ein Einkommen verzichten können oder wollen. Künftig würden sie ein Jahr lang mindestens so viel bekommen wie im Fall anders begründeter Arbeitslosigkeit. Diesen Familien handelt der Staat im Gegenzug für eine üppigere Erziehungsleistung zwei Dinge ab: die Bereitschaft des Vaters, mindestens zwei Monate der Erziehungszeit zu übernehmen, und die Bereitschaft beider Eltern, nach einem Jahr in den Beruf zurückzukehren. Das ist angesichts des demografischen Wandels sinnvoll. Denn es dürfte insgesamt zu einer höheren Erwerbsbeteiligung der Frauen führen. Hier sind die internationalen Erfahrungen ermutigend. Geförderte Erziehungszeiten von bis zu einem Jahr behindern die Rückkehr in den Beruf selten. Bleibt man länger weg, fällt sie schwerer.

Ist es aber andererseits richtig, Druck auszuüben, damit auch die Väter zu Hause bleiben? Ist es gerechtfertigt, auch denen Elterngeld zu geben, die nun wirklich genug haben? Wie sollen Selbstständige behandelt werden, wie Eltern, die schon nach wenigen Wochen wieder arbeiten wollen? Und, wenn man schon seine Regierungserklärung unter das Motto „Mehr Freiheit wagen“ gestellt hat: Darf man quasi nebenbei ein neues familien- und gesellschaftspolitisches Leitbild formulieren und es so in den Mittelpunkt rücken, dass die Freiheit der anderen, anders zu leben, materiell sanktioniert wird? Es hat lang genug gedauert, das gleichberechtigte Doppelverdienerehepaar mit möglichst vielen Kindern als gesellschaftlichen Normalfall anzuerkennen. Es über Nacht zu Maß und Mitte der Familienpolitik zu machen, ist ein bisschen hastig – und, wie Verfassungsrechtler warnen, möglicherweise auch mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.

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