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Politik: „Ein Problem gelöst, eins geschaffen“ Internationale Reaktionen

Der Atomausstieg in Deutschland ist in Europa auf ein geteiltes Echo gestoßen. Die französische Zeitung „Paris Normandie“ aus Rouen fürchtet die neue Marktmacht des großen Nachbarn:„Die deutsche Entscheidung könnte sich deutlich auf die politische Debatte in Frankreich auswirken.

Der Atomausstieg in Deutschland ist in Europa auf ein geteiltes Echo gestoßen.

Die französische Zeitung „Paris Normandie“ aus Rouen fürchtet die neue Marktmacht des großen Nachbarn:

„Die deutsche Entscheidung könnte sich deutlich auf die politische Debatte in Frankreich auswirken. Seit der Amtsübernahme von Nicolas Sarkozy im Elysée-Palast hält uns die (Regierungspartei) UMP ohne Unterlass das deutsche Beispiel vor. (...) Zunächst einmal müssen die Deutschen massiv in die erneuerbaren Energien investieren (...). Sie werden darin Weltmeister werden und das ist auch keine gute Nachricht für uns.“

Die linksliberale römische Zeitung „La Repubblica“ sieht das auch so – bewertet es aber positiv:

„Es ist vollbracht. Erstmals beschließt eine große Industrienation – Deutschland ist die Nummer eins in Europa und die Nummer vier in der Welt – den Ausstieg aus der Atomenergie. (...). Die Aussichten auf ein Gelingen dieses Schrittes sind gut – die Mehrheit der Bürger steht dahinter. Und seit im Jahr 1998 der lange Abschied von der Atomkraft (mit der rotgrünen Koalition) begann, hat sich die Energieeffizienz der deutschen Industrie um 48 Prozent erhöht. Derweil distanzierte das Made in Germany auf den Weltmärkten in der Wettbewerbsfähigkeit um Lichtjahre konkurrierende Länder wie das zur Atomkraft verurteilte Frankreich.“

Die liberale italienische Tageszeitung „La Stampa“ aus Turin meint:

„Déjà vu in Berlin. Zum zweiten Mal in elf Jahren hat Deutschland am Montag beschlossen, bis zum Jahr 2022 alle seine Kernkraftwerke abzustellen (...) Nun kehrt die Bundesrepublik also dahin zurück, die erste große Industrienation zu sein, die sich auf den Weg macht in eine Zukunft ohne Kernkraft. Und empfiehlt sich als Modell für andere Länder.“

Die britische linksliberale Zeitung „Independent“ fragt nach den Alternativen:

„Die Regierung Merkel hat ein Problem gelöst, da die Kernkraft in weiten Kreisen unbeliebt ist, und hat gleichzeitig ein neues Problem geschaffen. Wie soll die Energie ersetzt werden? Deutschland hat schon zahlreiche alternative Energiequellen entwickelt, dennoch müsste man wohl die Kohle entwickeln, auch wenn in teure „saubere“ Kohlekraftwerke investiert wird.“

„Der Standard“ aus Wien sieht taktische Motive als entscheidend an:

„Natürlich war Fukushima nicht wirklich der Grund für Merkels Kehrtwende. Die Kanzlerin ist bekanntlich Physikerin. Sie wusste genau, dass die deutschen Akws nach Fukushima nicht unsicherer waren als zuvor. Die Katastrophe in Japan war nur der Anlass für ihre 180-Grad-Wende (...). Merkel hatte weniger Angst um die deutschen Kernkraftwerke als vielmehr um ihre eigene Restlaufzeit. Sie wollte den Grünen den Wind aus den aufgeblähten Segeln nehmen.“

Die konservative schwedische Zeitung „Svenska Dagbladet“ hält den Schritt, bis 2022 alle AKW vom Netz zu nehmen, für verhängnisvoll:

„Deutschland hat den Weg gewählt. Weg mit der Atomkraft. (...) Das ist in mehreren Dimensionen falsch gedacht. Der Strom wird teurer, Arbeitsplätze werden verschwinden, und die Wirtschaft wird geschwächt. Ohne dass das einen Gewinn für die Umwelt bringt. Und Deutschlands Entscheidung berührt nicht nur die Deutschen. Ganz Europa bekommt die Auswirkungen zu spüren. (...) Alle Hoffnungen knüpfen sich nun an eine noch nicht erfundene Technologie.“

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