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Politik: Ein Schluck Brackwasser in 48 Stunden

Die Geiseln in Sudan berichten nach der Freilassung von einer Odyssee

Nairobi. „Weiter, weiter, bloß weiterlaufen“, trieb sich der Gefangene an. Drei Nächte lang. Die zerschundenen Füße brannten, die Zunge schwoll an vor Durst. Doch seine Entführer trieben den Deutschen durch die sudanesische Nacht. Tagsüber versteckten sie ihn in Feldern und Büschen. Auf dem Boden fand er Schlaf. „Nie wusste ich, wohin die Reise geht“, sagt der Berliner Steffen Horstmeier. Mit seinem Dresdner Kollegen Ekkehard Forberg war der Sudan-erfahrene World-Vision-Helfer nach Waat gekommen, um ein Friedensprojekt zu planen. Doch Rebellen machten daraus einen Geiselkrieg.

Das Drama begann um 3 Uhr morgens am vergangenen Montag. „Ich hatte gerade auf die Uhr geschaut, da hörte ich plötzlich Schüsse“, sagt der 30-jährige Soziologe. „Ich verkroch mich unter meiner Matratze, doch als die Schüsse nicht aufhörten, wollte ich weglaufen.“ Er kam nicht weit. „Dort entlang“, befahlen ihm bewaffnete Milizen und deuteten auf einen Busch. „Da wusste ich, dass ich ein Gefangener war.“ Barfuß und im Schlafanzug begann die Gefangenschaft.

„Ein Schluck Brackwasser, durch den Pyjama gefiltert – das war alles in den ersten 48 Stunden“, sagt der kräftige dunkelblonde Mann. „Ich spürte, wie ich allmählich dehydrierte, als wir endlich ein Dorf mit einem Brunnen erreichten.“ Von da an ernährte sich der Entwicklungshelfer wie viele der vom Bürgerkrieg gebeutelten Südsudanesen ständig: von Wasser und Ziegenmilch.

Am dritten Tag, auf der letzten Etappe zur Stadt Youaei, dem Hauptsitz des verantwortlichen Rebellenkommandeurs Simon Gatwich, wurden die Kidnapper von rivalisierenden Milizen überrascht. „Meine Entführer ergaben sich oder rannten weg und ließen mich mit ihnen gehen.“. Als er aus dem rettenden Rebellenquartier um Hilfe funkte, ahnte Horstmeier nichts vom Schicksal seiner Kollegen. Während einer Mitarbeiterin die Flucht gelungen war, wurde ein Kenianer, Charles Kibbe, erschossen.

Der 31-jährige Forberg hatte mit Horstmeier einen fünftägigen Besuch in Waat geplant. Am Tag ihrer geplanten Abreise befanden sie sich schon 24 Stunden in der Hand der Kriegsherren. „Todesangst hatte ich nur am Anfang“, so Horstmeier. Doch die Entführer gaben ihm schnell zu verstehen, dass sie ihn nicht umbringen wollten. Zum Glück habe er da noch nichts vom Tod seines Kollegen gewusst.Antje Passenheim (dpa)

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