zum Hauptinhalt

Politik: Ein Stern auf der Erde

DAIMLER UND CHRYSLER

Von Dieter Fockenbrock

Es sollte die „Hochzeit im Himmel“ werden – und endete fast in einem Desaster. Als DaimlerBenz-Chef Jürgen Schrempp vor genau fünf Jahren in London die Fusion mit dem US-Autohersteller Chrysler ankündigte, ahnte er nicht, dass er mit seinem spektakulären Plan den Stuttgarter Konzern beinahe gegen die Wand fahren würde. Selbst von Scheidung war zwischenzeitlich die Rede, doch im letzten Augenblick hat das ungleiche, deutsch-amerikanische Paar die Kurve genommen. Daimler-Chrysler schreibt wieder dicke Gewinne. Die Ehe scheint gerettet zu sein.

Schrempp hat eine Fusionswelle in Deutschland losgetreten. Die Erwartungen waren hoch, doch sind sie zumeist enttäuscht worden. Aber der Zusammenschluss der beiden Autogiganten war ein wirksamer Einschnitt in die deutsche Unternehmensverfassung. Denn seitdem ist erlaubt, was zuvor unmöglich erschien. Die „Dealmaker“ nehmen keine Rücksichten auf nationale Grenzen oder gesellschaftliche Folgen, auf Arbeitsplätze oder Produktionsstandorte. Schrempp und seine Kollegen riefen die totale Globalisierung aus – angefeuert von den internationalen Finanzmärkten.

Doch wer die Börsen als Geldgeber für seine Pläne braucht, der ist auch gezwungen, nach ihren Spielregeln zu handeln. Und die lauten: Das Geschäft muss Gewinn abwerfen – und überzeugen.

Für die alte Deutschland AG eine Herausforderung. Früher entschieden ihre Mitglieder allein – die Banker, Ex-Vorstände, Berufsaufsichtsräte und Gewerkschafter –, wer wen zu welchem Zeitpunkt übernehmen durfte. Da wurden Kompromisse zum Vorteil der Großaktionäre geschmiedet oder Zugeständnisse zugunsten der Arbeitnehmer gemacht, Aktienpakete stillschweigend hin- und hergeschoben oder Tochtergesellschaften getauscht. Die Öffentlichkeit und vor allem die Kleinaktionäre durften das Ergebnis staunend zur Kenntnis nehmen.

Das hat sich grundlegend geändert. Heute ist Transparenz angesagt. Dafür sorgen schon die neuen Finanzmarktgesetze, die Übernahmeregeln oder der Ehrenkodex für Unternehmensführer – allesamt eine Folge der Fusionswelle. Ja, die Manager sollen sogar ihr Gehalt auf Euro und Cent offen legen, damit der Aktionär den totalen Einblick hat.

An den Interessen der Kapitalgeber kommt also niemand vorbei. An den Interessen der Beschäftigten schon. Das ist die Schattenseite des Einzugs angelsächsischer Standards. In den Führungsetagen hat das Thema Sicherung von Arbeitsplätzen kaum noch eine Chance. Es ist nicht relevant für den Kapitalmarkt. Jobs sind allenfalls Kostenfaktoren. Daran ändert auch die gesetzlich verbriefte Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten wenig. Nicht einmal der radikale Stellenabbau bei Siemens, Telekom oder bei der Dresdner Bank ist damit aufzuhalten. Da überrascht es nicht, wenn das letzte Relikt der Deutschland AG zur Disposition gestellt wird – weil die Mitbestimmung ohnehin nichts mehr ausrichten kann.

Jürgen Schrempp hat eine wichtige Erfahrung gemacht: Automarken wie Mercedes oder Chrysler lassen sich nicht einfach fusionieren. Das machen die Kunden nicht mit – egal in welchem Winkel dieser Welt sie leben. Also setzt der Daimler-Chrysler-Chef alles daran, die Markenidentität in seinem weltumspannenden Konzern zu stärken. Was aber seine Arbeiter und Angestellten mitmachen, danach hat er nicht gefragt. Er sollte es. Sonst stellen Schrempp & Co. am Ende fest, dass sie zwar einen globalen Konzern geschmiedet, auf dem Weg dahin aber ihre Mitarbeiter verloren haben. Nicht ohne Grund gelten 70 Prozent aller Fusionen heute als gescheitert.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false